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Pressefreiheit für Werbeblätter

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BGH vom 05.02.2015 I ZR 136/13 – TIP der Woche Eine Gesellschaft der Unternehmensgruppe Kaufland gibt die Zeitschrift „TIP der Woche“ heraus. Neben Werbung für Produkte in den Märkten enthalten die Blätter in geringem Umfang allgemeine Beiträge und einzelne Anzeigen Dritter. Ein Verbraucherschutzverband beanstandet die Gestaltung bestimmter Anzeigen. Der TIP-Werbeverlag beruft sich dagegen auf die Pressefreiheit, für die Gestaltung der Werbung sei der Verlag nicht verantwortlich.

Hintergrund

Journalistisch redaktionelle Erzeugnisse sind bei der Schaltung von Anzeigen für Dritte privilegiert. Die Werbung muss nur auf grobe und unschwer erkennbare Rechtsverstöße durchgesehen werden. Weitergehende Prüfungspflichten erschwerten die Arbeit von Presseerzeugnissen ohne mit der eigentlichen Aufgabe der Medien etwas zu tun zu haben. Bei der beanstandeten Anzeige handelte es sich wohl nach Ansicht des Berufungsgerichtes nicht um einen solchen offensichtlichen Fall. Also kommt es darauf an, ob sich die Werbezeitschrift auf das Presseprivileg berufen kann.

Die Entscheidung

Auch Werbeblätter genießen Pressefreiheit, urteilt der BGH. Nicht nur herkömmliche Presseerzeugnisse sind geschützt, sondern auch Kundenzeitschriften oder Anzeigenblätter. Abzugrenzen sind Presserzeugnisse danach nur von reinen Werbeprospekten, also Medien, die keinerlei redaktionelle Inhalte aufweisen. Im nächsten Schritt jedoch entkernt der Bundesgerichtshof die gewährte Pressefreiheit für Werbeblätter bezüglich der hier entscheidenden Frage: Werbeblätter seien Werbeprospekten gleichzustellen. Der Schutzumfang der Pressefreiheit sei umso geringer „je weniger ein Presseerzeugnis der Befriedigung eines Informationsbedürfnisses von öffentlichem Interesse oder der Einwirkung auf die öffentliche Meinung dient und je mehr es eigennützige Geschäftsinteressen wirtschaftlicher Art“ verfolge. Habe eine Zeitschrift keinen nennenswerten meinungsbildenden Bezug, sondern bestehe fast ausschließlich aus Werbung, so werde die Verantwortung für diese Werbung nicht durch Presseprivilegien eingeschränkt. Der Verlag hafte daher auf Unterlassung.

Kritik

Die Grenzen zwischen Medien und Unternehmen verschwimmen in der Konvergenz. Auch Unternehmen dürfen an der Meinungsbildung mitwirken, Medien sind unternehmerisch tätig. Auf der anderen Seite wird gerade debattiert, ob Journalismus nicht als gemeinnützig anerkannt werden sollte, um wenigsten Schutznischen für die bedrohte Zunft zu schaffen. Die Entscheidung des BGH folgt da dem Urteilstrend der letzten Jahre: Erst wird der Kreis weit gezogen (Pressefreiheit), um alles irgendwie erfassen zu können, und dann in feinste Nuancen ausdifferenziert (kein Presseprivileg trotz Pressefreiheit). Das Ergebnis sieht auf den ersten Blick nach Einzelfallgerechtigkeit aus, ist aber lediglich Vermeidung einer klaren Entscheidung in einer schnelllebigen Wirklichkeit. Dabei steht die Gerechtigkeit gar nicht auf dem Prüfstand, weil es letztlich egal ist, ob eine Anzeige nur durch Unterlassung des Werbenden oder auch des Verlags unterbunden werden kann. Der Kreis der Medienfreiheit ist größer – nur bedeutet die Freiheit nun weniger.