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Wertersatz in Fernabsatz

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Mit europäischem Recht ist nicht vereinbar, wenn dem Verbraucher im Falle der Ausübung seines Widerrufsrechts generell ein pauschal berechneter Wertersatz für die Nutzung der Sache auferlegt wird. EuGH vom 03.09.2009, C-489/07 Messner ./. Krüger.

EuGH vom 03.09.2009, C-489/07 Messner ./. Krüger

Der Fall

M kauft als Verbraucherin im Internet von dem gewerblich handelnden K ein gebrauchtes Notebook zum Preis von EUR 278,00. Über ihr Widerrufsrecht wird sie nicht belehrt. Nach acht Monaten widerruft sie den Kaufvertrag, nachdem K sich geweigert hatte, einen Defekt an dem Display nachzubessern.
K verlangt nun für acht Monate Nutzung Wertersatz, berechnet aufgrund des Mietpreises vergleichbarer Notebooks. Der Wertersatz übersteigt die Klageforderung.
Das Amtsgericht Lahr hat diesen Fall dem EuGH vorgelegt mit der Frage, ob es mit europäischem Recht vereinbar wäre, K Recht zu geben (Beschluss vom 26.10.2007, 5 C 138/07)

Die Entscheidung

Der EuGH hält eine generelle Auferlegung eines Wertersatzes für die Nutzung bis zum Widerruf für unvereinbar mit den Zielen der Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG, hier insbesondere Erwägungsgrund 14. Die Richtlinie verlange, dass der Nutzer die Widerrufsfrist völlig frei und ohne jeden Druck nutzen könne, um die Kaufentscheidung und die Ware zu überprüfen.
Mit dieser Zielsetzung sei eine nationale Regelung nicht vereinbar, wonach der Verkäufer vom Verbraucher für die Nutzung einer durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekauften Ware in dem Fall, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht fristgerecht ausübt, generell Wertersatz für die Nutzung der Ware verlangen kann.

Umsetzung der Entscheidung

Einführung

Zunächst hat der EuGH nur entschieden, welche Regelung in nationalen Gesetzen in der EU unzulässig ist. Dies betrifft unmittelbar den konkreten Fall, nämlich eine pauschale, generelle Wertersatzpflicht für die Nutzung einer Ware bis zur Ausübung des Widerrufsrechts. Die Auswirkungen des Urteils sind auf den ersten Blick nur schwer abschätzbar. Dies beruht auf den so kompliziert gestalteten Fernabsatzregeln, die selbst den Gesetzgeber inzwischen überfordern. Das Urteil des EuGH schränkt unmittelbar nur den Spielraum ein, welche Rechtsfolgen der nationale Gesetzgeber an den Widerruf knüpfen darf.

Rechtsfolgen des Widerrufs

Die Rechtsfolgen des Widerrufs sind in § 357 BGB geregelt, der bezüglich Zahlungspflichten auf § 286 Absatz 3 BGB verweist und im Übrigen die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt für anwendbar erklärt. Es gilt demnach § 346 BGB mit den Modifikationen des § 357 Abs. 3 BGB. Andere Ansprüche sind ausgeschlossen, § 357 Abs. 4 BGB.
Festzuhalten bleibt, dass § 346 BGB nur entsprechend Anwendung findet. Daraus ergibt sich ein Auslegungsspielraum für die nationalen Gerichte (so bereits das vorlegende AG Lahr).
Folgende Rechtsfolgen sieht § 346 BGB vor:

  • Rückgewähr des Erlangten, § 346 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB
  • Herausgabe gezogener Nutzungen, § 346 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB
  • Schadensersatz wegen Verletzung einer Pflicht aus § 346 Abs. 1 BGB,
    § 346 Abs. 4 i.V.m. §§ 280, 283 BGB
  • Wertersatz wenn Rückgewähr oder Herausgabe nach der Natur des
    Erlangten nicht möglich ist, § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB
  • Wertersatz bei verbrauchten, veräußerten, belasteten, verarbeiteten
    oder umgestalteten Gegenständen, § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB
  • Wertersatz bei verschlechterten oder untergegangenen Gegenständen, §
    346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB
  • Herausgabe der Bereicherung bei Wegfall der Wertersatzpflicht in den
    Fällen des § 346 Abs. 3 Satz 1 BGB

Daneben sind noch Ansprüche denkbar, soweit diese ihren Ursprung nicht im Widerruf haben:

  • Schuldhafte Pflichtverletzung
  • Delikt

Das Verhältnis dieser Ansprüche zueinander und zum Fernabsatzrecht ist ungeklärt. In der Praxis werden die verschiedenen Tatbestände des § 346 BGB oft nicht ausreichend unterschieden. Dies kann im Internet gerade auch bezüglich der Entscheidung des EuGH beobachtet werden, obwohl das AG Lahr in seinem Vorlagebeschluss sehr sorgfältig klargestellt hatte, auf welchen Anspruch sich seine Rechtsfrage an das europäische Zivilgericht bezog. Im Folgenden werden die Rechtsfolgen mit großer Praxisrelevanz kurz dargestellt, um die möglichen Auswirkungen der EuGH-Entscheidung zu skizzieren.

1. Rückgewähr und Nutzungsherausgabe, § 346 Abs. 1 BGB

Nach § 346 Abs. 1 BGB muss der Rückgabeverpflichtete die empfangene Leistung zurückgewähren und gezogene Nutzungen herausgeben. Nutzungen sind Früchte einer Sache sowie Gebrauchsvorteile, §§ 100 und 99 BGB. Nutzungen können im Sinne des § 346 Abs. 1 BGB nur dann herausgegeben werden, wenn sie tatsächlich gezogen worden sind. Wurde also beispielsweise die gekaufte Sache bis zur Ausübung des Widerrufsrechts vermietet, wären die Mieteinnahmen gezogene Nutzungen.

2. Wertersatz statt Rückgewähr oder Herausgabe wegen der Natur des Erlangten, § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB

Kann die im Fernabsatz erworbene Ware ihrer Natur nach nicht herausgegeben werden, so ist Wertersatz zu leisten, § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB. Meist wird hier bereits das Widerrufsrecht ausgeschlossen sein, § 312 d Abs. 4 Nr. 1 dritte Alternative BGB.
Diskutiert wird auch, dass nach § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB Wertersatz für Gebrauchsvorteile zu zahlen ist, die der Verbraucher nicht tatsächlich gezogen hat. Nach herrschender Meinung ist nämlich bereits die Möglichkeit, über eine Sache zu verfügen, ein Gebrauchsvorteil im Sinne des § 100 BGB, ohne dass es darauf ankommt, ob durch den Gebrauch ein Gewinn oder Verlust entstanden ist (Palandt § 100 Rdn. 2). Dieser Gebrauchsvorteil kann rückwirkend naturgemäß nicht mehr herausgegeben werden, so dass sein Wert, also das, was allgemein für die zeitweise Überlassung des befangenen Guts bezahlt wird, herauszugeben sein könnte. Hier setzt die Vorlagefrage des Amtsgerichts Lahr ein. Das Gericht wollte wissen, ob § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB im Falle des Widerrufs nach § 357 BGB so ausgelegt werden darf, dass dem Verkäufer ein pauschaler Anspruch auf der Bemessungsgrundlage üblicher Mietzahlungen zugesprochen werden kann. Eine solche Auslegung hat der EuGH als mit dem EU-Recht nicht vereinbar untersagt.

Auswirkung des EuGH-Urteils

Wertersatzregelungen sind indes nach Ansicht des EuGH grundsätzlich mit EU-Recht vereinbar. Eine Verpflichtung des Verbrauchers zum angemessenen Wertersatz soll insbesondere zulässig sein, wenn der Kunde den Gegenstand entgegen Treu und Glauben oder in einer mit den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbaren Art und Weise benutzt hat. Dabei darf die Höhe des Wertersatzes jedoch nicht außer Verhältnis zum Kaufpreis der fraglichen Ware stehen oder dem Verbraucher die Beweislast dafür auferlegen, dass er die Ware nicht in einer Weise benutzt hat, die über das hinausgeht, was zur zweckdienlichen Ausübung seines Widerrufsrechts erforderlich ist. Diesen Ausführungen kann entnommen werden, dass der EuGH grundsätzlich solche Ersatzpflichten für zulässig hält, die eine Erstattung für Wertminderungen oder Gebrauchsvorteile vorsehen, die bei einer Nutzung eintreten, die über den Umfang hinausgeht, der zur Prüfung der Ware oder Ausübung des Widerrufsrechts erforderlich ist.

Eine naheliegende Möglichkeit des Umgangs mit dem Urteil des EuGH besteht daher darin, den Anspruch auf Wertersatz für nicht tatsächlich gezogene Gebrauchsvorteile nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu beschränken. Die Möglichkeit hierzu dürfte im Rahmen der Auslegung bestehen. Genau dies hat der BGH nämlich unlängst für den ähnlichen Fall des Wertersatzes für Gebrauchsvorteile im Falle der Nachbesserung im Kaufrecht entschieden (BGH vom 26.11.2008, VIII ZR 200/05). Der BGH hatte dem EuGH die Frage vorgelegt, ob eine Regelung im deutschen Recht zulässig wäre, die im Falle der Nachbesserung dem Käufer die Zahlung eines Wertersatzes für die Zeit bis zur Nacherfüllung auferlegt. Dies hat der EuGH ausgeschlossen. Der BGH hat daraufhin entschieden, dass der Verweis des § 439 Abs. 4 BGB für Fälle des Verbrauchsgüterkaufs einschränkend dahingehend anzuwenden ist, dass die Vorschriften des Rücktritts nur für die Rückgewähr der mangelhaften Sache eingreifen, nicht hingegen zu einem Anspruch des Verkäufers auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen oder auf Wertersatz führen (BGH vom 26.11.2008, VIII ZR 200/05, Rdn. 26, dagegen gibt es Nutzungswertersatz bei Rückabwicklung eines Verbrauchsgüterkaufs: BGH vom 16.09.2009, VIII ZR 243/08). Zu dieser einschränkenden Auslegung des § 439 Abs. 4 BGB sah sich der BGH ermächtigt, weil der Gesetzgeber mit dieser Norm gerade EU-Recht umzusetzen beabsichtigt habe. Das Misslingen dieser Absicht sei als planwidrige Regelungslücke zu Tage getreten. Dies ermögliche der Rechtsprechung, die entsprechende Vorschrift richtlinienkonform auch gegen den Wortlaut einschränkend auszulegen.

Gleiches wäre nun denkbar bezüglich des Wertersatzes für Gebrauchsvorteile nach § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Absatz 1 BGB. Auch hier versuchte der Gesetzgeber mit § 357 BGB und den Verweisen zum Rücktrittsrecht eine Richtlinie umzusetzen. Dies wäre misslungen, sofern die Anwendung des Rücktrittsrechts zu einem pauschalen Wertersatz für Gebrauchsvorteile führte. Nachdem die Richtlinie nach Auffassung des EuGH jedoch nicht grundsätzlich den Wertersatz für Gebrauchsvorteile ausschließt, erscheint eine richtlinienkonforme Auslegung des Verweises aus § 357 Abs. 1 BGB nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zulässig.

 

3. Wertersatz bei verschlechterten oder untergegangenen Gegenständen, § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB

346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB sieht eine Verpflichtung zum Wertersatz für die Verschlechterung oder den Untergang des zurückzugebenden Gegenstandes vor, wobei allerdings eine Verschlechterung der Sache durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme außer Betracht zu bleiben hat. Für Verschlechterungen über die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme hinaus ist also Wertersatz zu leisten. Kein Wertersatz wiederum ist zu leisten, wenn der zur Rückgewähr Verpflichtete diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt und dadurch eine entsprechende Verschlechterung oder der Untergang eingetreten ist, § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB.

Als wäre diese Vorschrift nicht hinreichend kompliziert, bestimmt § 357 Abs. 3 BGB hiervon eine wichtige Ausnahme für Fälle des Widerrufs. Wird der Verbraucher bei Vertragsschluss in Textform entsprechend belehrt, so hat er Wertersatz auch für eine durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung zu leisten. Außerdem setzt eine ordnungsgemäße Belehrung über das Widerrufsrecht die Regelung des § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB außer Kraft. § 357 Abs. 3 BGB soll dem Anbieter die Möglichkeit bieten, durch entsprechende Belehrung, Ersatz für Wertminderungen zu erhalten, die durch eine Ingebrauchnahme des Verbrauchers eintreten und dabei über das für die Prüfung des Widerrufsrechts und der Ware erforderliche Maß hinausgehen, außerdem hält die Vorschrift den Verbraucher zur Sorgfalt an, wenn ihm sein Widerrufsrecht bekannt ist. Die vom Gesetzgeber gestaltete Musterwiderrufsbelehrung enthält einen Formulierungsvorschlag für die Belehrung über diese Wertersatzpflicht.

Auswirkung des EuGH-Urteils

Die Vorlage des Amtsgerichts Lahr betraf gerade nicht diesen Fall des Wertersatzes, denn in dem vorgelegten Fall war weder über das Widerrufsrecht noch über die mögliche Vermeidung der erweiterten Wertersatzpflicht nach § 357 Abs. 3 BGB belehrt worden. Damit wäre eine durch Ingebrauchnahme eingetreten Wertminderung nach dem dann unverändert geltenden § 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB und vor allem Abs. 3 ohnehin nicht zu erstatten gewesen. Hierüber hatte der EuGH folglich auch nicht zu entscheiden.

§ 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 357 Abs. 3 BGB betrifft jedenfalls nicht die vom EuGH beschiedene Ersetzung von Gebrauchsvorteilen, sondern die Erstattung von Wertminderungen der Sache. Das ist ein wesentlicher Unterschied, wie der Fall des Amtsgerichts Lahr zeigt. Der Verkäufer hatte Wertersatz wegen Gebrauchsvorteilen in einer den Wert des Gegenstandes übersteigenden Höhe geltend gemacht. Ein solcher Wertersatz ist bereits für die abstrakte Möglichkeit der Nutzung zu bezahlen. Auf tatsächliche Vorteile oder eine tatsächlich eingetretene Wertminderung des zurückgegebenen Gegenstandes kommt es nicht an. Anders liegt der Fall bei den Ansprüchen nach § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB. Hier geht es um Verschlechterungen oder den Untergang der Sache. Dies bedeutet, der Veräußerer erleidet einen Schaden durch die Ausübung des Widerrufsrechts in Höhe der Wertdifferenz.

Allerdings wird diskutiert, ob die Entscheidung des EuGH nicht auch Wertersatz für Verschlechterungen insbesondere durch Ingebrauchnahme (§§ 346 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. 357 Abs. 3 BGB) ausschließt. Anlass sind einzelne Formulierungen des Urteils. In Rdn. 19 wird darauf hingewiesen, dass dem Kunden keine anderen Kosten als die der Rücksendung auferlegt werden dürften. Nach Rdn. 24 seien Regelungen mit dem EU-Recht unvereinbar, die dem Verbraucher allein deswegen eine Wertersatzpflicht auferlegen, weil er die Ware „geprüft und ausprobiert hat“. Dies deutet darauf hin, dass neben dem Prüfen auch das Ausprobieren möglich sein muss, ohne dass den Verbraucher eine Wertersatzpflicht trifft. Ausdrücklich klargestellt wird allerdings, dass der Verbraucher nur insoweit zu schützen ist, als seine Benutzung zur zweckdienlichen Ausübung seines Widerrufsrechts erforderlich ist (Rdn. 25 und Rdn. 27 am Ende). Ein Ausprobieren der Ware ohne Ingebrauchnahme erscheint nur möglich, wenn man den Begriff der Ingebrauchnahme nicht als jede Benutzung oder Verwendung versteht, sondern einschränkend als eine über die Prüfung eines noch im Eigentum eines Dritten stehende Verwendung hinausgehende Tätigkeit ansieht.

Auswirkung auf Musterbelehrung

Es lässt sich gut vertreten, dass die Belehrung nach § 357 Abs. 3 BGB i.V.m. § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB den Vorgaben des EuGH enttspricht. Jedenfalls sollte es möglich sein, die Vorschrift entsprechend auszulegen.

§ 357 Abs. 3 verlangt eine Belehrung darüber, wie eine durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstehende Verschlechterung zu vermeiden ist. Das Muster für die Belehrung in Textform vor Vertragsschluss lautet insoweit:

„Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten. Bei der Überlassung von Sachen gilt dies nicht, wenn die Verschlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung – wie sie Ihnen etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre – zurückzuführen ist. Im Übrigen können Sie die Pflicht zum Wertersatz für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung vermeiden, indem Sie die Sache nicht wie Ihr Eigentum in Gebrauch nehmen und alles unterlassen, was deren Wert beeinträchtigt.“

Die Belehrung unterscheidet nicht genau zwischen den verschiedenen Ansprüchen des § 346 BGB. Der Wertersatz wegen nicht gezogener Gebrauchsvorteile wird gar nicht erwähnt. Der Werteratz wegen der Wertminderung soll zum einen ausgeschlossen sein, wenn diese durch eine „ladengeschäftsmäßige Prüfung“ eingetreten ist. Zum anderen soll sich der Ersatz von Wertminderungen wegen Ingebrauchnahme vermeiden lassen indem die Sache nicht in Gebrauch genommen wird oder der Wert nicht gemindert wird.
Diese Belehrung war also immer schon unklar, unvollständig und falsch. Bezogen auf den Wertersatz für die Ingebrauchnahme gibt die Belehrung dem Kunden allerdings die Möglichkeit, ohne Wertersatz die Sache zu prüfen „wie in einem Ladengeschäft“. Das ist schon in etwa das, was der EuGH verlangt. Daneben darf dem Kunden keine Zahlung für die bloße Möglichkeit der Nutzung abverlangt werden. Auch dies ist mit der Belehrung vereinbar.
Dass die Belehrung noch zwei tautologische Tipps für die Vermeidung einer Wertminderung durch Ingebrauchnahme mitgibt („nicht in Gebrauch nehmen“, „den Wert nicht mindern“) könnte in Verbindung mit dem Urteil des EuGH jedoch eine Angriffsfläche bieten. Häufig erfahren Produkte nämlich bereits dadurch eine Wertminderung, dass sie nicht mehr als neu verkauft werden können, wenn sie von Kunden geprüft wurden. Der herkömmliche Einzelhandel behilft sich hier mit Vorführgeräten. § 346 BGB ist für die Fälle des Widerrufs im Fernabsatz im Lichte des EuGH-Urteils wohl so auszulegen, dass kein Wertersatz geschuldet wird für Verschlechterungen der Ware durch eine nach Treu und Glauben zu erwartende Prüfung zum Zwecke der Entscheidung über das Widerrufsrecht.
Diese Fälle bildet die Belehrung nicht richtig ab, sondern könnte Verbraucher davon abhalten die Ware zu prüfen, weil damit eine Wertminderung verbunden sein könnte oder weil er nicht versteht, was unter „ingebrauchnahme wie ein Eigentümer“ gemeint ist.
Andererseits erscheint es aber auch nicht europarechtswidrig zu vertreten, dass der Kunde über sein Recht zur Prüfung der Ware ausreichend – weil in der dem Gesetzgeber maximal möglichen Klarheit – informiert wird.

Konsequenzen für die Widerrufs – / Rückgabebelehrung

Dennoch wird diskutiert, ob die Musterbelehrung unverändert verwendet werden sollte. Dies ist umso bedauerlicher, als der Gesetzgeber gerade knapp zwei Monate vor dem EuGH-Urteil die seit Jahren dringend geforderte Verankerung der Widerrufsbelehrung im BGB vollzogen hatte. Ab dem 11.06.2010 erfüllen Widerrufsbelehrungen, die dem nunmehr als Anlage 1 zu Artikel 246 § 2 Abs. 3 Satz 1 EGBGB erlassenen Muster entsprechen, die nach dem zukünftigen Artikel 246 § 2 Abs. 3 EGBGB zu erfüllenden Informationspflichten bei Fernabsatzverträgen nach Artikel 246 § 2 Abs. 1 Satz 2 EGBGB.

Jede Änderung der Musterbelehrung führt aus dem möglicherweise zuzubilligenden Schutz als Vorschlag des Gesetzgebers (so schon bei Änderungen der Gestaltung: OLG Schleswig Urteil vom 25.10.2007, 16 U 70/07, welches dem Muster allerdings jeden Schutz ohnehin abspricht). Einigkeit besteht wohl auch darin, dass die Musterbelehrung weder inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen genügt noch hinsichtlich sprachlicher Transparenz. Bei jeder Änderung besteht daher die Gefahr, dass die Belehrung dem Verwender als eigene Formulierung zugerechnet wird – mit allen bekannten Mängeln.

Vorgeschlagen wird daher die in der Musterbelehrung in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV vorgesehenen Gestaltungsalternativen (5) und (7) zu verwenden. Dadurch sollte der Schutz des Musters gewahrt bleiben. Dies erscheint derzeit sicherer gegen Abmahnungen und die weiteren Folgen einer unrichtigen Belehrung. Allerdings wird dann die Durchsetzung von Nutzungsentschädigungen oder Wertersatz schwierig. Daher wird auch empfohlen, die Musterbelehrung unverändert weiter zu verwenden und zunächst abzuwarten, was die Rechtsprechung aus der Tragödie macht. Pauschal lässt sich dies kaum entscheiden. Es kommt auf Art und Wert der vertriebenen Waren und Dienstleistungen ebenso an wie auf die angesprochenen Kunden und die individuelle Risikobereitschaft des Fernabsatzanbieters – und der ist ja inzwischen allerhand gewohnt.