Verbraucherinformationen bei Pkw-Werbung
Ein Beitrag von Matthias Hartmann und Felix Schmidt
Die Vorschriften der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung (Pkw-EnVKV) sind Marktverhaltensregeln nach § 4 Nr. 11 UWG und damit abmahntauglich. Ob eine lediglich typ- oder fabrikmarkenbezogene Werbung vorliegt, ist allein formal nach der erteilten Betriebserlaubnis zu beurteilen.
BGH vom 04.02.2010, I ZR 66/09
Der Fall
Die Beklagte betreibt ein Autohaus und bewarb in der Zeitschrift „Auto Motor und Sport“ einen Gallardo Spyder der Marke Lamborghini mit einer Kleinanzeige. Kraftstoffverbrauch oder CO2-Emissionen waren nicht angegeben.
Nach § 5 PKW-EnVKV sind bei Werbung für PKW der offizielle Kraftstoffverbrauch und die offiziellen spezifischen CO2-Emissionen der betreffenden Modelle neuer Personenkraftwagen anzugeben. Eine wichtige Ausnahme enthält Anlage 4 Abschn. I Nr. 3 Pkw-EnVKV: Die Informationspflicht entfällt, wenn lediglich für eine Fabrikmarke oder einen Typ geworben wird, ohne dass Angaben zur Motorisierung, zum Beispiel zu Motorleistung, Hubraum oder Beschleunigung, gemacht werden.
Für den Gallardo Spyder war antragsgemäß eine Betriebserlaubnis als Variante des Typs Gallardo erteilt worden. Das Autohaus berief sich mit sachverständiger Hilfe darauf, der Spyder sei aber eher als eigenständiger Typ einzuordnen, dessen Bewerbung pflichtangabefrei erfolgen könne.
Die Entscheidung
Nach der Entscheidung des BGH ist die Werbung nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG; § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 1 i.V. mit Anlage 4 Abschn. I Nr. 3 Pkw-EnVKV wettbewerbswidrig.
Die Entscheidung enthält drei wesentliche Aspekte:
- Informationspflichten über Emissionen und Verbrauch sind
Marktverhaltensregeln.
Ein unlauteres Verhalten im Wettbewerb liegt vor, wenn ein Marktteilnehmer gegen Markverhaltensregeln verstößt. Bei den Informationspflichten der Pkw-EnVKV soll es sich um eine solche Marktverhaltensregelung handeln, da die Angaben den Verbraucher dazu befähigten, geschäftliche Entscheidungen auf informierter Grundlage zu treffen. Die Kenntnis der Verbrauchswerte sei für die Kaufentscheidung der Adressaten der Werbung von Bedeutung, da hiervon einerseits die Betriebskosten abhingen und andererseits auch ideelle Interessen des Verbrauchers betroffen seien. Dass die Regelungen zugleich das abstraktere Ziel des Umweltschutzes verfolgten, ändere nichts daran, dass die Informationen für den beworbenen Verbraucher bei seiner Bewertung des Angebots wichtig seien. - Informationspflichten voll harmonisiert
Die in § 4 Nr. 11 UWG normierte Unlauterkeit durch Rechtsbruch gehört zu den europarechtlich vollharmonisierten Regelungsgebieten. Somit können Verstöße nur gegen solche Informationspflichten, welche eine europarechtliche Grundlage haben, die Unlauterkeit begründen. Für die Pkw-EnVKV ist dies der Fall. Sie beruht auf der Richtlinie 1999/94/EG. Die Richtlinie ist dabei strenger als die nationale Umsetzung. Dies kann dem Werbenden jedoch nicht zugute kommen. Im Gegenteil: Es erscheint fraglich, ob die in Anlage 4 Abschnitt 1 Nr. 3 PkW-EnVKV vorgesehenen Ausnahmen der Informationspflichten mit EU-Recht zu vereinbaren sind oder durch entsprechende Auslegung einzuschränken wären. - Typbezogene Werbung im Sinne der Pkw-EnVKV ist anhand der
Betriebszulassung zu beurteilen
Die in der Pkw-EnVKV in Anhang 4 Abschnitt I Nr. 3 vorgesehene Ausnahme greift nicht. Danach ist es möglich die Verbrauchs- und CO2-Werte wegzulassen, sofern lediglich für eine Fabrikmarke (Handelsnamen des Herstellers) oder einen Typ geworben wird, ohne dass Angaben zur Motorisierung (Motorleistung, Hubraum, Beschleunigung) gemacht werden.
Ob ein „Typ“ vorliegt ist anhand der vom Hersteller gemäß Anhang II B der RL 70/156/EW angegebenen Unterteilung einer bestimmten Fabrikmarke zu beurteilen, die durch die Typen, Varianten- und Versionsnummern im alphabetischen Code eindeutig identifiziert wird. Allein maßgeblich ist, dass der Hersteller des Fahrzeugs eine Betriebserlaubnis für den Typ Gallardo und die Variante Gallardo Spyder beantragt und erhalten hat. Eine Werbung für den Spyder ist daher nicht typbezogen.
Konsequenzen
Die Frage, ob es sich um eine allein fabrikmarken- oder typbezogene Werbung handelt, ist danach zu beurteilen, ob die abgebildeten oder erkennbaren Fahrzeuge gemäß ihrer Betriebserlaubnis lediglich als Typ spezifiziert sind.
Allerdings setzt das Urteil ein großes Fragezeichen hinter die entsprechende Ausnahmeregelung der Pkw-EnVKV: Die der Vorschrift zugrundeliegende Richtlinie ist bei den Ausnahmen von den Pflichtangaben strenger als die Pkw-EnVKV. Nach Anhang 4 der Richtlinie kann auf die Angabe des Kraftstoffverbrauches dann verzichtet werden, wenn die Werbung lediglich eine Fabrikmarke betrifft und kein bestimmtes Modell. Die Angaben zu den spezifischen CO-Emissionen sind dagegen in allen Werbeschriften anzugeben. Der Bundesgerichtshof deutet in seiner Entscheidung an, dass die nationale Vorschrift der Pkw-EnVKV, die großzügigere Ausnahmen von der Angabepflicht vorsieht, insoweit mit EU-Recht nicht vereinbar erscheint. Dies könnte die ohnehin beabsichtigte Reform der Pkw-EnVKV beschleunigen. Bekanntlich gibt es Pläne der Regierung, die Energieeffizienz von Kraftfahrzeugen ähnlich wie bei Waschmaschinen durch die Buchstaben A bis G zu kennzeichnen.
Bis auf Weiteres zu raten, die CO²- und Verbrauchswerte grundsätzlich in der Werbung anzugeben. Lediglich bei Werbung für Fabrikmarken ohne Modellbezug kann in Übereinstimmung mit Richtlinie und Pkw-EnVKV auf die Angabe des Kraftstoffverbrauchs verzichtet werden.
Ob die von der Werbung im konkreten Fall angesprochenen Käufer eines Lamborghini Gallardo Spyder tatsächlich bei ihrer Kaufentscheidung von CO²-Werten und Kraftstoffverbrauch beeinflusst werden, mag dahinstehen. Es überrascht, dass der Senat des BGH dies aus eigener Sachkunde zu beurteilen vermag.
Nachtrag I: Vorführwagen kein Neufahrzeug
Nach Ansicht des OLG Koblenz (Urteil vom 13.10.2010, 9 U 518/10) ist ein Vorführwagen kein „neuer Personenkraftwagen“ i.S. der Pkw-EnVKV.
Das Gericht hat die Revision zugelassen. Der 4. Senat des OLG Koblenz (08.02.2008, 4 U 1383/07) und das LG Berlin 26.09.2006, 15 O 521/06 haben anders entschieden.
Die ausführliche Begründung ist lesenswert.
Nachtrag II: Anforderungen an die Darstellung
Nach § 5 I EnVKV i.V.m. mit der Nr. 2, Abschnitt I der Anlage 4 müssen die Angaben auch bei flüchtigem Lesen leicht verständlich, gut lesbar und nicht weniger hervorgehoben sein als der Hauptteil der Werbebotschaft.
Hierzu hat das OLG Hamm ein Urteil gefällt (vom 31.08.2010, I-4 U 58/10).