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Online-Abrufbarkeit ist keine Textform

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Bei den Instanzgerichten hatte sich bereits herausgebildet, dass die vorgeschriebene Textform für Verbraucherinformationen, etwa zur Belehrung über ein Widerrufsrecht, nur durch E-Mail oder per Post gewahrt werden kann. Der BGH zementiert dieses Verständnis des dauerhaften Datenträgers und erschwert damit moderne Geschäftsmodelle etwa im Bereich M-Commerce oder Social Media.

BGH vom 29.04.2010, I ZR 66/08 – Holzhocker

Zum Sachverhalt

Die Parteien waren Wettbewerber auf dem Gebiet des Handels mit afrikanischen Kunstgegenständen im Internet.
Käufer konnten die Widerrufsbelehrung des Beklagten speichern und ausdrucken. Ferner konnten sie die Informationstexte unter „Mein eBay“ bis 60 Tage nach Abschluss des Kaufvertrages aufrufen, erhielten diese aber nicht als E-Mail oder mit der Rechnung. Der Kläger rügte, dies entspreche nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Textform und mache die Widerrufsbelehrung falsch.

Entscheidung des BGH

Mit der Vorinstanz ist der BGH die Auffassung, eine Belehrung in Textform liege nicht vor. Ist für die Verbraucherunterrichtung (§ 312 c Abs. 2 BGB) oder die Widerrufsbelehrung (§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB) die Textform vorgeschrieben, so müsse nach § 126b BGB die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise abgegeben, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder auf andere Weise erkennbar gemacht werden. Erforderlich sei nicht nur die Abgabe einer Erklärung in einer zur dauerhaften Wiedergabe geeigneten Weise. Vor dem europarechtlichen Hintergrund müssten außerdem die zu erteilenden Informationen dem Verbraucher in einer zur dauerhaften Wiedergabe geeigneten Weise zugehen; ein entsprechender Zugang liege bei Online-Texten nicht vor, so lange der Nutzer sie nicht auf seinem eigenen Computer abspeichert oder ausdruckt.
Browser- oder sonstige Funktionen zum Ausdrucken und Speichern reichten damit für die Textform nicht aus. Auch die Abrufbarkeit der Texte bei eBay wahre die Textform nicht. Die Belehrung sei damit unzureichend und abmahnungstauglich.

Konsequenzen für die Praxis

Die Entscheidung des BGH zementiert die bisherige Tendenz der Instanzgerichte. Danach können Verbraucherinformationen nur per E-Mail, SMS oder Post in Textform erteilt werden. Für die ebenfalls zulässigen erzwungenen Downloads gibt es in der Praxis kaum noch Anwendungsbeispiele. Der BGH kann sich dabei auf die vage, aber gleichgerichtete Rechtsprechung des EFTA-Gerichtshofs stützen, das den dauerhaften Datenträger ähnlich definiert und dabei die unveränderte Wiedergabemöglichkeit betont hat.
Man könnte dem einiges entgegen setzen (vgl. Hartmann in Wandtke, Medienrecht, 5. Teil, Kapitel 1), aber nun hat der BGH entschieden. Das ist gerade deshalb bedauerlich, weil sich das maßgebliche Nutzerverhalten angesichts hoher Bandbreiten, dichter Abdeckung, mobiler Applikationen und beliebig skalierbarer Ressourcen – Stichwort Cloud Computing – entscheidend verändert hat. Ein über den Widerruf nachdenkender Verbraucher wird sich daher – wenn überhaupt – eher auf den Webseiten des Anbieters über die Widerrufsbedingungen informieren als im Footer von vielleicht fünf verschiedenen Bestätigungs-, Zahlungseingangs- oder Versandnachrichten. Das vom BGH zugrunde gelegte Verständnis der Textform schafft damit keine zusätzliche Sicherheit für den Verbraucher. Abgesehen davon wird ein normaler Verbraucher die offizielle Widerrufsbelehrung mit Formulierungen wie „jedoch nicht vor Erfüllung unserer Pflichten gemäß § 312e Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Artikel 246 § 3 EGBGB“ ohnehin nicht wirklich verstehen.
Besonders nachteilig ist diese Rechtsprechung für neue Angebote im Umfeld Social Media und mobile Applikation. Hier kann es sein, dass der Anbieter keine Kommunikationsadresse des Nutzers hat, an die Nachrichten in Textform übermittelt werden können. Um trotzdem nicht einer praktisch endlosen Widerrufsmöglichkeit des Nutzers ausgesetzt zu sein, muss der Anbieter dann einen aufwendigen Registrierungsprozess vorschalten und – unter Verstoß gegen das Datensparsamkeitsgebot – Daten erheben, um dem Verbraucher Informationen zu geben, welche dieser schon hat oder sich anderweitig verständlicher beschaffen kann.