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OLG Köln: Pflichtangaben nach Pkw-EnVKV bei YouTube-Videos, Urteil vom 29.05.2015 – 6 U 177/14

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Werbespots für Personenkraftwagen auf YouTube können der Kennzeichnungspflicht der Pkw-EnVKV unterfallen. Die Ausnahmeregelung für audiovisuelle Mediendienste gemäß § 5 Abs. 2 Pkw-EnVKV soll auf die Veröffentlichung eines Werbespots in einem YouTube-Channel nicht anwendbar sein.

Der Fall

Der Fahrzeughändler betreibt einen YouTube-Channel, auf dem Themenvideos zu einer bestimmten Automarke veröffentlicht werden. Streitgegenständlich war ein 15 Sekunden langes Video, in dem ein Fahrzeugmodell unter Angaben zur Motorisierung beworben wurde. Kraftstoffverbrauch oder CO2-Emissionen sind nicht angegeben. Als dagegen ein Verband klagt, beruft sich der Hersteller auf die Ausnahme von den Pflichtangaben der Pkw-EnVKV für audiovisuelle Mediendienste.

Die Entscheidung

Das Gericht sieht den Anwendungsbereich der Informationspflichten aus der Pkw-EnVKV eröffnet, da durch das Video ein Fahrzeugmodell auf dem Internetauftritt „ausgestellt“ werde. Weiter führt das Gericht unter Verweis auf §§ 2 Nr. 9, 5 Abs. 1 Pkw-EnVKV aus, dass „Werbematerial“ nicht nur Texte und Bilder, sondern auch Laufbilder erfasse. Die Ausnahme von der Kennzeichnungspflicht für Hörfunkdienste und audiovisuelle Mediendienste sei auf das YouTube-Video nicht anwendbar. Elektronische Werbung stelle keinen audiovisuellen Mediendienst dar und sei auch nicht Teil eines solchen Mediendienstes. Das Gericht führt aus, dass die Regelungen für audiovisuelle Mediendienste nur gelten, wenn die Werbung Teil eines Programmes ist, das vornehmlich der Meinungsbildung dient. Da dies bei dem YouTube-Video nicht der Fall sei, habe der Beklagte gegen die Informationspflichten der Pkw-EnVKV verstoßen.

Fazit

Fahrzeughersteller und – händler sind u.a. im Rahmen von Fahrzeugwerbung grundsätzlich verpflichtet, Angaben zum Kraftstoffverbrauch und zu CO2-Emissionen der von ihnen beworbenen Neufahrzeuge zu machen, § 5 Pkw-EnVKV. Diese Verpflichtung besteht bei Werbung für Modelle neuer Personenkraftwagen oder wenn Angaben zur Motorisierung in der Werbung gemacht werden. Von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen ist die sogenannte Imagewerbung sowie die Werbung für eine Baureihe. Die Pflichtangaben der Pkw-EnVKV sind jedoch zwingend, sobald Angaben zur Motorisierung gemacht werden, auch wenn es sich um Image- oder Baureihenwerbung handelt. Der Anwendungsbereich von § 5 Pkw-EnVKV

Das Gericht führt aus, dass die Anwendbarkeit der Informationspflichten daraus folge, dass der Händler durch das YouTube-Video ein Fahrzeugmodell gemäß Anlage 4 Abschnitt 2 Nr. 4 zu § 5 Pkw-EnVKV im Internet „ausstelle“. Dem kann bei einem 15 Sekunden langen YouTube-Video wohl nicht gefolgt werden, da es sich dann bei der Darstellung im YouTube-Video um einen „Ausstellen im virtuellen Verkaufsraum“ handeln würde. Würde diese Annahme des Gerichts zutreffen, müsste der Händler in dem YouTube-Video nicht nur

  • Angaben über den offiziellen Kraftstoffverbrauch,
  • Angaben über die offiziellen CO2-Emissionen,
  • und einen Hinweis auf den Leitfaden

einfügen, sondern zudem die CO2-Effiziensklasse einschließlich grafischer Darstellung. Ein solches „Ausstellen im virtuellen Verkaufsraum“ ist jedoch nur dann gegeben, wenn dem Verbraucher nicht lediglich unverbindliche Informationsangebote geliefert werden, sondern dieser eine konkrete Auswahlentscheidung treffen kann (OLG Koblenz, Urteil vom 21.03.2013 – 9 U 1156/12; LG Wuppertal, Urteil vom 27.03.2012 – 13 O 8/12). Fraglich ist, warum das Gericht in seiner Entscheidung Ausführungen zum Tatbestandsmerkmal „Werbeschrift“ im Sinne von § 5 Abs. 1 Pkw-EnVKV macht. Die Informationspflichten des § 5 Pkw-EnVKV gelten für

  • „Werbeschriften“, § 5 Abs. 1 Pkw-EnVKV,
  • „in elektronischer Form verbreitetes Werbematerial“, § 5 Abs. 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV und
  • „Werbung durch elektronische, magnetische oder optische Speichermedien“, § 5 Abs. 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV.

Da es sich bei dem YouTube-Video um „in elektronischer Form verbreitetes Werbematerial“ im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV in Verbindung mit § 2 Nr. 10 und Nr. 11 Pkw-EnVKV handelt (vgl. LG Wuppertal, Urteil vom 31.10.2014 – 12 O 25/14) wäre eine Bezugnahme auf Werbeschriften, also klassische Printwerbung, nicht notwendig gewesen. Die Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 2 Pkw-EnVKV

Im Ergebnis ist es wohl zutreffend, dass Informationspflichten nach Pkw-EnVKV auch bei YouTube-Werbespots bestehen können, da es sich bei YouTube-Videos nicht notwendig um audiovisuelle Mediendienste handelt. Die Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 2 Pkw-EnVKV gilt ausdrücklich für audiovisuelle Mediendienste nach Art. 1 Abs. lit. a der Richtlinie 2010/13/EU. Laut der dortigen Definition ist ein audiovisueller Mediendienst

i) eine Dienstleistung im Sinne der Artikel 56 und 57 AEUV, für die ein Mediendiensteanbieter die redaktionelle Verantwortung trägt und deren Hauptzweck die Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit über elektronische Kommunikationsnetze im Sinne des Artikels 2 Buchstabe a der Richtlinie 2002/21/EG ist. Bei diesen audiovisuellen Mediendiensten handelt es sich entweder um Fernsehprogramme gemäß der Definition unter Buchstabe e des vorliegenden Absatzes oder um audiovisuelle Mediendienste auf Abruf gemäß der Definition unter Buchstabe g des vorliegenden Absatzes, ii) die audiovisuelle kommerzielle Kommunikation.

Damit kann also auch die audiovisuelle kommerzielle Kommunikation (mithin klassische Werbung) Bestandteil eines audiovisuellen Mediendienstes sein. Auch laut Erwägungsgrund 22 der Richtlinie 2010/13/EU umfasst der Begriff „audiovisuelle Mediendienste“ kommerzielle Kommunikation. Daraus folgt, dass nicht allein auf den Werbezweck des einzelnen Videos abzustellen ist. Vielmehr ist das Video nur dann als kommerzielle Kommunikation zu qualifizieren (und somit von der Privilegierung erfasst), wenn sie von einem Mediendiensteanbieter gezeigt wird. In diesem Zusammenhang führt das OLG Köln in seiner Entscheidung aus:

„Vor dem Hintergrund dieser unterschiedlichen Aufgaben von Mediendiensten einerseits und Produktwerbung andererseits bestehen unterschiedliche Pflichten der Diensteanbieter. Diesem Zweck trägt § 5 Abs. 2 Nr. 2 Pkw-EnVKV Rechnung, wenn er werbetypische Informationspflichten nur denjenigen auferlegt, die Werbung für ihre Waren und Dienstleistungen betreiben, nicht aber denjenigen Diensten, die vornehmlich Meinungsbildung betreiben und dabei zur Finanzierung ihrer Angebote auch Werbung in ihre Programme einbauen.“

Diese Ausführungen sind insofern missverständlich, als dass man den Schluss ziehen könnte, für den Ausnahmetatbestand des § 5 Abs. 2 Pkw-EnVKV müsse der Werbende im Falle kommerzieller Kommunikation selbst Mediendiensteanbieter sein. Im Falle der kommerziellen Kommunikation kommt es jedoch nicht darauf an, dass der Werbende Mediendiensteanbieter ist. Vielmehr ist – wie oben bereits ausgeführt – Werbung nur dann als kommerzielle Kommunikation zu qualifizieren, wenn sie von einem Mediendiensteanbieter gezeigt wird. Nach dem Wortlaut und der Systematik von § 5 Abs. 2 Pkw-EnVKV betrifft die Ausnahmeregelung für Hörfunk und audiovisuelle Medien nicht den Verpflichtungsadressaten (also den persönlichen Anwendungsbereich), sondern den sachlichen Anwendungsbereich. Verpflichtungsadressat der Kennzeichnungspflicht ist gemäß § 5 Abs. 1 Pkw-EnVKV der Pkw-Hersteller und/oder Händler, nicht der Mediendiensteanbieter. Entscheidend ist also nicht, ob der Pkw-Hersteller und/oder Händler Mediendiensteanbieter ist. Im Falle von klassischer TV- oder Hörfunk-Werbung ist der jeweilige TV- oder Radio-Sender als Mediendiensteanbieter zu qualifizieren und nicht der Werbende.