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Musikplattform darf Weitergabe von Musikdateien vertraglich verbieten

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Für körperliche Werkstücke gilt im Urheberrecht der Erschöpfungsgrundsatz, der einen Weiterverkauf z.B. von Büchern über Antiquariate ermöglicht. Beim Online-Download gibt es diese Weitergabebefugnis grundsätzlich nicht. Das LG Berlin hält deshalb ein vertragliches Weitergabeverbot in AGB „vorbehaltlich abweichender zwingender gesetzlicher Regeln“ für zulässig, obwohl sie bei manchem Verbraucher den Eindruck erwecken wird, er dürfe nun auch keine Privatkopie mehr erstellen oder einem Freund geben. Eine höchstrichterliche Klärung ist für den 03.02.2011 angekündigt; dann wird der BGH über den Weiterverkauf von Gebrauchtsoftware urteilen.

LG Berlin vom 14.07.2009, 16 O 67/08 – Weitergabe von Musikdateien

Sachverhalt

Ein Dachverband von Verbraucherzentralen war gegen die Betreiberin eines Online-Dienstleistungsangebots für den entgeltlichen Download von Musikdateien vorgegangen. Sie wendete sich gegen folgende Klausel:

„Sie sind lediglich berechtigt, die Produkte für ihre persönlichen, nicht-gewerblichen Zwecke zu verwenden. Der Weitervertrieb, die Weitergabe, Übergabe oder Unterlizenzierung ist vorbehaltlich abweichender zwingender gesetzlicher Regeln nicht gestattet.“

Entscheidung des Gerichts

Das Gericht hielt die Klausel für zulässig. Die Musikplattform könne den Weitervertrieb, die Weitergabe, die Übertragung und die Unterlizenzierung untersagen, da sich das Verbreitungsrecht im Sinne des § 17 Abs. 2 UrhG nur an Werkstücken, nicht aber an unkörperlichen Dateien erschöpfen könne. Dementsprechend stelle Erwägungsgrund 29 der Richtlinie 2001/29/EG klar, dass sich die Frage der Erschöpfung bei Online-Diensten nicht stelle.
Das etwaige Vorliegen eines Gestattungstatbestands wie etwa die Befugnis zur Privatkopie gemäß § 53 UrhG stelle eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Verbot dar, dem die Klausel unter Verweis auf gesetzlich zwingende Regeln hinreichend Rechnung trage. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liege nicht vor, weil nur die Gefahr einer inhaltlichen Benachteiligung zur Unwirksamkeit führen könne, nicht aber die bloße Unklarheit. Da die Klausel nur die geltende Rechtslage nachzeichne, komme eine inhaltliche Benachteiligung nicht in Betracht.

Bewertung und Ausblick

Die Frage, ob und inwieweit an unkörperlich vertriebenen Werken Erschöpfung eintreten kann, wird der BGH voraussichtlich am 03.02.2011 beantworten, und zwar für Gebrauchtsoftware. Man muss eher damit rechnen, dass der BGH entsprechend den Vorinstanzen die unterschiedliche Bewertung von Online- und Offline-Vertrieb beibehält, so dass Rechteinhaber beim Vertrieb über das Internet zusätzliche Verbotsrechte haben.
Unverständlich ist allerding der wohlwollende Blick des LG Berlin auf Klauseln, welche Gefahr laufen, diese zusätzlichen Möglichkeiten faktisch noch einmal auszuweiten. Die verfahrensgegenständliche Klausel nannte die Privatkopie nicht. Kaum ein User wird wissen, ob es sich bei der Befugnis zur Privatkopie bzw. anderer Schrankenbestimmungen der §§ 44a ff. UrhG um eine zwingende oder vertraglich abdingbare Regelung hält; selbst für den Juristen ist dies mangels entsprechender ausdrücklicher Regelung nicht mit einem Blick festzustellen (anders als z.B. bei der angemessenen Vergütung gemäß §§ 32 Abs. 3, 32 b UrhG). Es steht damit zu befürchten, dass Nutzer, welche die Klausel lesen, aus Angst vor einem Verstoß davon Abstand nehmen, Privatkopien anzufertigen. Vielleicht hat das die Musikplattform sogar bei Formulierung der Klausel ins Kalkül gezogen, vielleicht erschien es dem Verwender auch zu aufwendig, die urheberrechtlichen Schranken genauer aufzuzählen. Intransparenz oder Mehrdeutigkeit, die Gefahr läuft, den Nutzer von erlaubten Verhalten abzuhalten, wäre aber grundsätzlich zu untersagen. Wenn man mit dem Gericht der Auffassung ist, dass die Klausel materiell ohnehin nur die geltende Rechtslage wiederholt, entstünde dem Verwender dadurch auch kein Nachteil.