Leistungs- und Änderungsvorbehalte in Pay-TV-AGB sind regelmäßig unzulässig
Nach den Providern sind nun Pay-TV-Angebote an der Reihe. Die dort üblicherweise anzu-treffenden Änderungsvorbehalte hinsichtlich Leistung und Preis sind unwirksam. Auch in diesem dynamischen Markt müssen Anbieter andere Wege finden, um auf Veränderungen reagieren zu können.
BGH vom 15.11.2007, III ZR 247/06 – Änderungsvorbehalt für Pay-TV-Angebote
Der Fall
Folgende Klauseln von Abonnementverträgen von Premiere für Bezahl-Fernsehen wurden überprüft:
- Klausel 1 (vgl. Ziffer 1.3 der AGB): „Unabhängig davon behält sich XXX vor, das Programm-Angebot, die einzelnen Kanäle, die Nutzung der einzelnen Kanäle sowie die Zusammensetzung der Programmpakete zum Vorteil des Abonnenten zu ergänzen, zu erweitern oder in sonstiger Weise zu verändern.“
- Klausel 2 (vgl. Ziffer 3.6 der AGB): „XXX kann die vom Abonnenten monatlich zu zahlenden Beträge erhöhen, wenn sich die Kosten für die Bereitstellung des Programms erhöhen.“… „Der Abonnent ist berechtigt, den Vertrag auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Erhöhung zu kündigen, wenn die Erhöhung 5% oder mehr des ursprünglichen Abonnementpreises ausmacht. Die Kündigung muss XXX spätestens 1 Monat vor Wirksamwerden der Preiserhöhung zugehen.“
- Klausel 3 (vgl. Ziffer 6.1 der AGB): „Ab der Verlängerung gelten die Tarife für die jeweils verlängerte Laufzeit.“
- Klausel 4 (vgl. Ziffer 6.5 der AGB): „XXX behält sich vor, bei einer Änderung/Umstrukturierung des Programmangebots die Abonnementbeiträge abweichend von Ziffer 3.6 zu ändern.“
- Klausel 5 (vgl. Ziffer 6.5 der AGB): „In diesem Fall ist XXX berechtigt, das Abonnement zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der geplanten Änderung schriftlich zu kündigen.“
- Klausel 6 (vgl. Ziffer 6.5 der AGB): „Stimmt der Abonnent der Leistungsänderung zu, kann XXX die Preisstruktur anpassen, ohne dass dies ein Kündigungsrecht des Abonnenten auslöst.“
Entscheidung des Gerichts
Nachdem der BGH nur kurze Zeit zuvor vergleichbare AGB bei Providern gekippt hatte (BGH vom 11.10.2007, III ZR 63/07), verwundert es wenig, dass es den Klauseln von Premiere gleich erging.
Zur Klausel 1
Die Regelung sei keine bloße Leistungsbeschreibung der Programmpakete. Sie sei nach § 308 Abs. 4 BGB unwirksam, weil sie den Vorbehalt einer Leistungsänderung nicht auf bestimmte, triftige Gründe beschränke.
Der kontrollfreie Bereich der Leistungsbeschreibung (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB) beschränke sich auf solche Inhalte, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden könne. Eine Änderungsklausel sei dafür aber entbehrlich.
Der Leistungsänderungsvorbehalt sei für die Abonnenten außerdem nicht zumutbar. Die Zumutbarkeit sei nur zu bejahen, wenn die Interessen des Verwenders die für das jeweilige Geschäft typischen Interessen des anderen Vertragsteils überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Erforderlich sei dazu im Allgemeinen, insbesondere bei betroffener Hauptleistungspflicht, ein gewisses Maß an Kalkulierbarkeit der möglichen Leistungsänderungen. Dem genüge die Klausel nicht, da die Formulierung „zum Vorteil der Abonnenten“ ebenso wie die der Zumutbarkeit nicht hinreichend bestimmt sei. Eine generalisierende Betrachtung der Abonnenten oder deren Mehrheit sei nicht zulässig, da dann die Interessen derjenigen Abonnenten außer Betracht blieben, die ein Programmpaket gerade wegen eines von einer Änderung betroffenen Inhalts gewählt haben.
Zur Klausel 2
Preisänderungsklauseln seien bei Dauerschuldverhältnissen zwar nicht grundsätzlich zu beanstanden. Die zulässige Grenze werde allerdings überschritten, wenn die Klausel es dem Verwender ermögliche, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen. Die Befugnis des Verwenders zu Preisanhebungen müsse daher von Kostenerhöhungen abhängig gemacht werden und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offengelegt, damit der andere Vertragsteil bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen könne. Die von Premiere verwendete Klausel ließ dies nicht zu. Durch das Kündigungsrecht des Abonnenten für den Fall, dass die Preiserhöhung 5 % oder mehr des ursprünglichen Abonnementpreises ausmache, werde diese Unzulässigkeit nicht kompensiert. Ein Recht des Kunden zur Lösung vom Vertrag vermöge nicht stets zu einem angemessenen Interessenausgleich zu führen, sondern nur dann, wenn eine Konkretisierung der Anpassungsmaßstäbe wegen der Besonderheit der Vertragsbeziehung auf unüberwindbare Schwierigkeiten stoße.
Zur Klausel 3
Die Klausel sei so zu verstehen, dass bei jeder Art von Vertragsverlängerung die Preise an die jeweils gültigen Tarife der Beklagten angepasst werden. Eine solche Preisanpassung weiche in unzulässiger Form von der Regel ab, dass ein Vertrag bei einer Verlängerung zu den bisherigen Bedingungen fortgesetzt werde.
Zur Klausel 4
Die Regelung erlaube eine einseitige Preisänderung, ohne dass der Abonnent ersehen könne, in welchem Umfang Preiserhöhungen auf ihn zukommen können und nach welchen Maßstäben die Preise erhöht werden. Die Beklagte behalte sich jede Programmänderung als Anlass für eine Preiserhöhung vor, so dass die Klausel willkürliche Preisanhebungen ermögliche und der Abonnent der Änderung durch die Beklagte ausgeliefert sei.
Zur Klausel 5
Mit dieser Regelung sei Premiere in der Lage, das Vertragsverhältnis vorzeitig außerordentlich zu kündigen, auch wenn keine besondere Umstände vorliegen, die so erheblich sind, dass dem Kündigenden ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zuzumuten ist. Schützenswerte Interessen von Premiere seien nicht ersichtlich; vielmehr könne nach dem Wortlaut der Klausel schon kurz nach Vertragsbeginn gekündigt werden, ohne dass die Aufwendungen des Abonnenten für den Digitalreceiver durch eine angemessene Vertragsdauer amortisiert würden.
Zur Klausel 6
Auch dieser Preisänderungsvorbehalt sei unwirksam. Aus dem Umstand, dass ein Abonnent sich mit einer Leistungsänderung einverstanden erklärt, sei keine Zustimmung zu einer Preisänderung zu entnehmen. Die Klausel stelle nicht sicher, dass der Abonnent überhaupt mit der Kenntnisnahme von der geplanten Leistungsänderung von der damit zusammenhängenden Anpassung der Preisstruktur erfahre.
Anmerkungen und Konsequenzen für die Praxis
Der BGH qualifiziert Abonnementverträge für Pay-TV als Dienstverträge und Dauerschuldverhältnisse. Damit setzt er wie schon bei Mobilfunk und Access-Providing seine Tendenz fort, die Essentialia moderner Vertragsstrukturen nicht weiter zu untersuchen. Stattdessen werden verfügbarkeitsgeprägte Kundenbeziehungen pauschal dem wenig konturreichen und systematisch nicht ganz passenden Dienstvertragsrecht unterstellt. Die Behandlung von Leistungsstörungen wird damit unnötig erschwert und weitgehend in das Schadensersatzrecht verlagert, dort zumeist unter dem Stichwort vergebliche Aufwendungen.
Für die einseitige nachvertragliche Anpassung von Dauerschuldverhältnisse setzt der BGH seine verbraucherfreundliche Linie fort. Sämtliche Leistungs- und Preisänderungsvorbehalte müssen in ihren Voraussetzungen konkret und in ihren Auswirkungen bestimmbar sein. Genau das wird in einem dynamischen Markt aber schwer möglich sein. Intelligente Kundenbindungssysteme werden daher langen Vertragslaufzeiten den Rücken kehren und stattdessen Vertragsverlängerungen incentivieren. Die Flexibilisierung des Wettbewerbsrechts schafft einen Ausgleich für das faktische Verbot der gängigen Vertragspraxis bei Verfügbarkeitsverhältnissen. Ob das für den Kunden unter dem Strich günstiger ist, ist eine andere Frage, transparenter ist es allemal.