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Kaufrecht bei Individualsoftwareerstellung?

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Auf Verträge, die die individuelle Programmierung und Überlassung von Software zum Gegenstand haben, wird in erster Linie Kaufrecht Anwendung finden.

BGH vom 23.07.2009, VII ZR 151/08 – Lieferung von Bauteilen

Problemstellung

Seit der Schuldrechtsreform wird darüber diskutiert, ob auf Verträge über die Erstellung und Überlassung von Software nach individuellen Vorgaben des Bestellers Kauf- oder Werkvertragsrecht Anwendung finden soll. Hintergrund ist die Neufassung der Reglungen zum frühere Werklieferungsvertrag sprachlich neu gefasst wurde, um EU-Vorgaben zum Verbrauchsgüterkauf in deutsches Recht umzusetzen (RL 1999/44/EG). Nach neuem § 651 BGB findet auf Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen Kaufrecht Anwendung. Sind nicht vertretbare Sachen zu produzieren – dies wird bei Individualsoftware anzunehmen sein – dann werden lediglich einzelne Vorschriften des Werkvertragsrechts ergänzend herangezogen, § 651 Satz 3 BGB.
Gegen die Einordnung von Softwareerstellungsverträgen unter die kaufrechtlich reglementierten Lieferungsverträge werden vor allem folgende Argumente ins Feld geführt:

  • § 651 BGB diene der Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Die Anwendbarkeit der Vorschrift sei entsprechend auf Verträge zur Lieferung typischer Massengüter oder zum Verbrauch bestimmter Güter zu reduzieren.
  • Der Gesetzgeber habe bei der Novelle der Vorschrift Verträge über die Softwareerstellung nicht im Blick gehabt und entsprechend auch keine Änderung herbeiführen wollen, eine einschränkende Auslegung der Vorschrift sei daher erforderlich, um Wertungswidersprüche zu vermeiden.
  • Regelt ein Vertrag die Erstellung von typischen Investitionsgütern in Verbindung mit Planungs- und Anpassungsleistungen finde nur Werkvertragsrecht Anwendung.
  • Software sei nicht als Sache anzusehen und daher nicht tauglicher Gegenstand eines Liefervertrages.

Den meisten dieser Argumente hat der Bundesgerichtshof nun eine Absage erteilt. Zwar ging es in dem nun entschiedenen Fall nicht um Software, sondern um die Lieferung von Bauteilen für eine Siloanlage. Die Entscheidungsgründe erscheinen jedoch verallgemeinerbar.

Entscheidung des Gerichts

Ausdrücklich offen gelassen hat der BGH die Frage, ob die Eigenschaft als bewegliche Sache im Sinne des § 651 Satz 1 BGB nach deutschem oder europäischem Recht zu beurteilen ist. Für das nationale Recht geht die wohl herrschende Meinung davon aus, dass sich der Bundesgerichtshof in früheren Entscheidungen dafür ausgesprochen hat, Software als Sache zu behandeln, unabhängig davon, ob eine Überlassung auf Datenträger oder mittels Fernübertragung erfolgt.
Ist Gegenstand des Vertrages die Lieferung einer solchen Sache, so findet nach Ansicht des BGH über § 651 BGB Kaufrecht Anwendung. Dies sei klarer Wortlaut der Vorschrift und ausdrücklicher Wille des Gesetzgebers. Für eine einschränkende Auslegung der Vorschrift sei daher kein Raum. Insbesondere sei eine Einschränkung auf Verträge über Verbrauchsgüter mit Verbrauchern nicht legitim. Etwaige Wertungswidersprüche seien in der Vorschrift angelegt und dem Gesetzgeber bewusst gewesen. Werkvertragsrecht sei im Wesentlichen nur noch auf die Herstellung von Bauwerken, reine Reparaturarbeiten oder die Herstellung nicht körperlicher Werke anwendbar.
Offen lässt der BGH, ob bei Verträgen über die Lieferung typischer Investitionsgüter durch Aufnahme zusätzlicher Leistungen der Planung, Konstruktion, Integration oder Anpassung ein Gesamterfolg des Vertrages versprochen werde, der eine werkvertragliche Qualifikation zulasse. Dies sei jedoch nur denkbar, wenn solche zusätzlichen Leistungen den Schwerpunkt des Vertrages bildeten oder den Vertrag insgesamt prägt. Dies sei jedoch nicht schon dann der Fall, wenn die Erbringung der Lieferungsleistung der Planung bedürfe. Erst wenn der Schwerpunkt der Leistung in der Entwicklung einer planerisch und konstruktiv zu ermittelnden Problemlösung läge, könne die Leistungsbeziehung insgesamt werkvertraglich geprägt sein.

Konsequenzen

Die Einordnung als Kauf- oder Werkvertrag ist nach wie vor wichtig, auch wenn durch die Schuldrechtsmodernisierung das Gewährleistungsrecht beider Vertragstypen deutlich angenähert wurde.
Ein Unterschied besteht beispielsweise bei Verträgen zwischen Kaufleuten darin, dass bei Lieferungsverträgen die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen davon abhängig ist, dass die gelieferte Leistung unverzüglich vom Empfänger auf etwaige Mängel untersucht wird und diese gegebenenfalls zu rügen sind, § 381 Abs. 2, § 377 HGB.
Wird Software nicht als Sache angesehen, um aus dem Anwendungsbereich des § 651 BGB zu gelangen, so ist allerdings eine der Konsequenzen eine dreijährige Verjährungsfrist für Mangelansprüche, da dann § 634 a Abs. 1 Nr. 1 BGB ebenfalls keine Anwendung findet und § 634 a Abs. 1 Nr. 3 BGB gilt.
Wer eine werkvertragliche Einordnung des Softwarestellungsvertrages anstrebt, wird aufgrund der vorliegenden BGH-Entscheidung versuchen, den Schwerpunkt auf Planungs- und Anpassungsleistungen zu legen. Wird die zu erstellende Software einerseits als Investitionsgegenstand und andererseits als vom Anbieter zu entwickelndes Mittel zur Lösung der beispielsweise im Pflichtenheft aufgeführten Probleme dargestellt, erscheint es durchaus möglich, dem Gesamtvertrag das vom BGH geforderte werkvertragliche Gesamtgepräge zu geben.
Entsprechendes gilt für Anpassungsleistungen an vorhandener Software. Wird beispielsweise die Leistung vertraglich aufgeteilt in einerseits Überlassung von Standardkomponenten und andererseits deren Anpassung, so ist die werkvertragliche Einordnung der Anpassungsleistungen naheliegend.