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EuGH ändert Rechtsprechung zur Haftung für Links

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Als Tim Berners-Lee 1989 den Hyperlink erfand, um den elektronischen Zugang zu an unterschiedlichen Orten abgelegten Dokumenten oder anderen Dateien zu erleichtern, hatte er kaum vor Augen, welche rechtlichen Probleme diese Erfindung auslösen würde. 27 Jahre später ist die Rechtslage um den Hyperlink verworrener als je zuvor.

Aktuell trägt zur Verwirrung vor allem der EuGH bei . Zunächst hatte es so ausgesehen, als hätte sich der EuGH mit seinem Urteil vom 13.02.2014 in Sachen Svensson C-466/12 auf die Seite der Informationsfreiheit in Europa geschlagen. Das Verlinken eines geschützten Werks stelle keine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Urheberrechts dar und sei somit von Haftung verschont, selbst wenn die verlinkte Quelle rechtswidrig war.

Das Netz atmete auf. Das Damoklesschwert der in Deutschland drohenden Störerhaftung für jeden, der mittels Link eine fremde Rechtsverletzung willentlich oder unwillentlich fördert, schien abgehängt.

Diese Rechtssicherheit fürs Linken hat der EuGH jedoch wieder zunichte gemacht (EuGH vom 08.09.2016, C-160/15 GS Media B.V. ./. Sanoma). Ab sofort sollen 3 diffuse Kriterien darüber entscheiden, ob eine „öffentliche Wiedergabe“ vorliegt und somit der Verlinkende für von einem Dritten unzulässig ins Netz eingestellte Werke haftet:

  1. Zunächst soll es auf die zentrale Rolle des Verlinkenden und die Vorsätzlichkeit des Handelns ankommen. (Rz 35) Weiter ist dabei entscheidend, ob die Nutzer ohne den Link grundsätzlich keinen Zugang zum Werk gehabt hätten. (Rz 35)
  2. Der Link muss sich eine unbestimmte Zahl potentieller Empfänger richten (Rz 36), durch das Verlinken muss das Werk einem Publikum zugängig gemacht werden, für welches der Inhaber des Urheberrechts dies bislang nicht oder nicht so vorgesehen hatte. (Rz 37)
  3. Schließlich soll auch entscheidend sein, ob die Verlinkung Erwerbszwecken diene.

Auf zwei Beispiele wendet der EuGH seine Kriterien an: Nach den Kriterien haftet im konkreten Fall eine redaktionelle Website, wenn sie auf noch unveröffentlichte Bilder des Playboy verlinkt, die von einem Unbekannten bei einem Filehoster im Ausland geleakt wurden. Einer Erwerbszwecken dienenden redaktionellen Website sei zuzumuten, die Rechtmäßigkeit des verlinkten Bildes zu prüfen und sie dürfe nicht absichtlich den Zugang zu einer illegalen Quelle schaffen. Handele dagegen jemand ohne Gewinnerzielungsabsicht, könne im Allgemeinen nicht davon ausgegangen werden, der Verlinkende handele in voller Kenntnis der Folgen seines Tuns. Insbesondere soll dies gelten, wenn ein Werk ohnehin frei zugänglich im Internet bereits vom Rechteinhaber verfügbar gemacht worden sei.

Der EuGH hat also zwei Fälle am jeweiligen Rand der von ihm aufgestellten Kriterien entschieden, verboten ist das Setzen eines Links auf eine nicht allgemein auffindbare Quelle durch eine Website die mit solchen Informationen ihr Geld verdient und in voller Kenntnis der Rechtswidrigkeit der verlinkten Bilder handelt. Auf der anderen Seite soll der private Nutzer nicht für einen Link haften, wenn über diesen ein Bild abrufbar war, dessen Legitimität für den Nutzer nicht erkennbar war, insbesondere weil das Bild im Internet vom Rechteinhaber selbst ebenfalls im Internet veröffentlicht wurde.

Beide Fälle mögen nachvollziehbar entschieden worden sein. Die vom EuGH gelieferten Kriterien sind aber untauglich.

Zwar versucht der EuGH seine Entscheidung als Fortsetzung der im Urteil vom 13.02.2014 in Sachen Svensson C-466/12 entwickelten Rechtsprechung darzustellen. Dies erscheint aber gewagt. Ausdrücklich fordert der EuGH zur Prüfung jedes Einzelfalles anhand der neuen Kriterien auf, erläutert aber nicht, wie diese abzuwägen sind. Vielleicht möchte er tatsächlich nur die absichtliche Weiterverbreitung rechtswidriger unveröffentlichter Inhalte durch kommerzielle Websites untersagen. Dafür sprechen die Ausführungen in Rn. 40, 41 des Urteils.

Die nun angestoßenen Einzelprüfung wird von den nationalen Gerichten jedoch eher dazu genutzt werden, die durch die Svensson Entscheidung beendete linkfeindliche Entscheidungspraxis wieder aufzunehmen und unter die schwammigen Kriterien zu packen: Jede unternehmerische Seite dient Erwerbszwecken und anderen Webseiten kann dies bereits bei einem Werbebanner unterstellt werden. Damit setzen laut EuGH Prüfungspflichten und bereits „Kennen müssen“ der Rechtswidrigkeit einer Quelle soll genügen können.

Nach deutscher Rechtsprechungspraxis müsste wohl der Verlinkende darlegen und beweisen, seiner Prüfungspflicht genügt zu haben. Ob eine Internetressource rechtmäßig ist oder nicht, wird in den allermeisten Fällen nicht recherchierbar sein, gutgläubiger Erwerb von Urheberrechten ist ausgeschlossen. Selbst mit den erforderlichen juristischen Kenntnissen ist daher kaum jemand in der Lage, die zu verlinkenden Inhalte der Seite eines Dritten urheberrechtlich zu bewerten. Beim Websitebetreiber oder dem Werkurheber vor dem Verlinken um eine Darstellung der Lizenzsituation zu bitten, kann allenfalls aus der behaglichen Gemütlichkeit eines Beratungszimmers eines Gerichts praktikabel erscheinen.

Damit hängt der Ausgang eines Verfahrens wohl allein davon ab, ob ein Werk „in dieser Weise“ oder überhaupt vom Urheber ins Netz gestellt wurde. Das aber kann der Verlinkende kaum vorab prüfen.

Besonders bedauerlich ist, dass scheinbar die Medienfreiheit des Websitebetreibers kein Kriterium der Abwägung ist. Damit ist die Rechtsprechung des BGH zur Zulässigkeit des bewussten Verlinkens einer rechtswidrigen Ressource als Beleg für einen Medienbericht bedroht (BGH anyDVD).

Es steht also zu erwarten, dass die in Deutschland ohnehin exzessiv angewandte Störerhaftung nun wieder gegen das Verlinken angewandt wird. Den Anfang macht das für seine Linkverfolgung bekannte LG Hamburg (Beschluss vom 18.11.2016, Az.: 310 O 402/16): Die Verlinkung auf ein verfremdetes Bild sei rechtswidrig, wenn nur das unbearbeitete Original vom Fotografen im Internet veröffentlicht wurde.

Links sind also wieder mit einem unwirtschaftlichen Haftungsrisiko belegt und der anwaltliche Rat muss leider lauten: im Zweifel lassen. Frei nach Paul C. Paules: Die Amerikaner haben das Internet erfunden und die Europäer streiten nach 27 Jahren immer noch über die beste Regulierung.

(Matthias Hartmann)