Impressum // Datenschutzerklärung

EU-Recht verlangt nicht die Offenlegung von Filesharern im Zivilverfahren

image_pdf

Rechteinhaber versuchen, flächendeckend gegen illegale Downloads vorzugehen und vom Filesharing abzuschrecken. Erster Schritt bei der Rechtsverfolgung ist die Feststellung der Identität des Verletzers. Hierfür benötigt der Rechteinhaber die Auskunft durch den Access-Provider, welche natürliche Person einer IP zu einem bestimmten Zeitpunkt zuzuordnen ist. Nach EU-Recht besteht aber keine grundsätzliche Verpflichtung des Access-Providers zur direkten Preisgabe seiner Kundendaten, sondern nur dann, wenn das nationale Recht dies vorsieht.

EuGH vom 29.01.2008, C 275/06 – Promusicae vs. Telefonica

Der Fall

Promusicae – ein Verein u.a. von Produzenten von Musikaufnahmen – beantragte bei Telefonica die Offenlegung von Name und Anschrift bestimmter Internetkunden aufzugeben. Promusicae kannte zu diesen Nutzern bereits die IP-Adresse sowie Tag und Zeit der Verbindung für den Peer-to-Peer-Austausch von Musikdateien. Das zugrunde liegende spanische Gesetz sah eine entsprechende Weitergabe der Kundendaten durch den Provider nicht vor. Der EuGH musste nun klären, ob ein Auskunftsanspruch im Zivilverfahren aus europäischem Recht besteht.

Entscheidung des Gerichts

Der EuGH entschied gegen den Rechteinhaber. Die bestehenden Richtlinien würden für Urheberrechtsverstöße durch Filsharing die Mitgliedstaaten nicht verpflichten, eine Mitteilung personenbezogener Daten im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens vorzusehen. Die Weitergabe von Namen und Adressen bestimmter Nutzer stelle eine Verarbeitung personenbezogener Daten (Richtlinie 2002/85 und 95/46) dar. Im Zivilverfahren sei die Verfolgung von Straftaten nicht Gegenstand. Daher lasse die Richtlinie 2002/58 eine Weitergabe der Daten nicht zu. Die ältere Richtlinie 95/46 lasse aber Beschränkungen der Pflicht zur Wahrung der Vertraulichkeit personenbezogener Daten zu, sofern dies zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer Personen notwendig ist. Gemäß europäischem Datenschutzrecht sei damit die Pflicht zur Weitergabe personenbezogener Daten im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens grundsätzlich möglich.
Eine entsprechende Pflicht sei europarechtlich aber nicht vorgegeben. Denn durch den effektiven Schutz des geistigen Eigentums und insbesondere des Urheberrechts dürfe der Schutz personenbezogener Daten nicht beeinträchtigt werden. Das schließe zwar die Befugnis eines Gerichtes nicht aus, in einem Verfahren wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums auf einen begründeten und die Verhältnismäßigkeit wahrenden Antrag des Klägers anordnen zu können, dass Auskünfte über den Ursprung und die Vertriebswege von Waren und Dienstleistungen erteilt werden. Eine dahin gehende Verpflichtung der Mitgliedsstaaten bestehe jedoch nicht. Es sei daher deren Sache, bei der Umsetzung der europäischen Vorgaben ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen durch die Gemeinschaftsrechtsordnung geschützten Grundsrechten sicherzustellen. Das gebiete für die Mitgliedstaaten nicht, eine Pflicht zur Mitteilung personenbezogener Daten im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens vorzusehen; unter Beachtung der betroffenen Grundrechte sei eine derartige Regelung aber grundsätzlich möglich.

Konsequenzen für die Praxis

Das EU-Recht lässt hinsichtlich der zivilrechtlichen Auskunft vieles zu. Es bleibt dem unter Druck vieler Interessengruppen stehenden deutschen Gesetzgeber überlassen, wie er insbesondere die Enforcement-Richtlinie (2004/48) umsetzt.
Warnend erscheint der Fingerzeig des EuGH auf die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen durch die Gemeinschaftsrechtsordnung geschützten Grundrechten sicherzustellen und hierbei insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Danach wäre wohl bei einer Bagatellverletzung ein Auskunftsanspruch unzulässig; beim Verfahren spricht vieles für einen Richtervorbehalt. Es bleibt abzuwarten, inwieweit der deutsche Gesetzgeber die gerichtlichen Hinweise aufnimmt.