Impressum // Datenschutzerklärung

Ein Vorführwagen ist bis zum tausendsten Kilometer ein Neuwagen hinsichtlich der Pflichtangaben der PKW-EnVKV

image_pdf

BGH, 21.12.2011 – I ZR 190/10

 

Die Entscheidung

Hersteller und Händler von PKW müssen in Werbeanzeigen den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen spezifischen CO2-Emissionen der betreffenden Modelle neuer Personenkraftwagen angeben. Die komplizierten Einzelheiten sind in der PKW-EnVKV geregelt.

Ein Händler hatte einen Vorführwagen mit 500 km Laufleistung ohne die Pflichtangaben über eine Internetplattform angepriesen und wurde daher abgemahnt. Entscheidend war nun, ob der Wagen ein „neuer PKW“ im Sinne der PKW-EnVKV ist. Nach § 2 Nr. 1 dieser Norm kommt es darauf an ob das Auto „noch nicht zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs oder der Auslieferung verkauft wurde“. Die Vorinstanz hatte das Merkmal „anderer Zweck“ subjektiv bestimmt und daher einen Kauf durch den Händler mit dem Ziel den Wagen für Probefahrten zuzulassen als ausreichend angesehen. Ein Neuwagen sei daher nicht Gegenstand des Internetangebots gewesen und somit auch keine entsprechende Pflichtangabe unterlassen worden.

Die sieht der BGH anders. Der Unterlassungsanspruch sei aus § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 3, § 5a Abs. 2 und 4 UWG in Verbindung mit § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Pkw-EnVKV und entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 1 in Verbindung mit Anlage 4 Abschn. I Nr. 1 PkW-EnVKV begründet. Ob ein Neuwagen vorliegt im Sinne der Pkw-EnVKV sei an objektivierbaren Umständen festzumachen und nicht an den Absichten des Händlers. Biete ein Händler ein Fahrzeug mit einer Laufleistung bis 1.000 Kilometer an, sei im Allgemeinen davon auszugehen, dass er dieses Fahrzeug zum Zweck des Weiterverkaufs erworben habe. Liegt die Kilometerleistung des angebotenen Fahrzeugs darüber, spreche dies dafür, „dass der Händler den Pkw (auch) zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs nämlich für die nicht ganz unerhebliche Eigennutzung erworben“ habe.

 

Anmerkungen

Vertretbar aber nicht überzeugend ist das Kriterium der 1000 km, welches ab jetzt „neue“ Vorführwagen von „alten“ unterscheiden wird. Anderes gilt nach dem Bundesgerichtshof bspw. im Kaufrecht: Hier ist ein im Straßenverkehr gebrauchter PKW nicht mehr neu. Schon eine längere Standzeit soll für die Einordnung als Neufahrzeug schädlich sein (siehe zuletzt BGH vom 15.09.2010 – VIII ZR 61/09). Auch eine Bewerbung eines Vorführwagens als „Neuwagen“ dürfte wettbewerbsrechtlich unzulässig sein.

Für die Umwelt-Pflichtangaben wird mit dem jetzigen Urteil der Begriff des Neuwagens abweichend ausgelegt, obwohl eine am allgemeinen Sprachgebrauch orientierte Auslegung denkbar gewesen wäre. Es steht auch nicht zu befürchten, dass der Markt der Vorführfahrzeuge zu einer spürbaren Umgehung der Pflichtangaben beitragen könnte. An die Praxis lassen sich diese feinsten Differenzierungen ohnehin kaum noch vermitteln, aber das übernehmen die Abmahner. Ein schwacher Trost ist allerdings, dass der BGH zumindest mit der 1000 km-Grenze ein klares neues Kriterium festgelegt hat für die Neuheit von Vorführwagen. Dieses Limit ist zwar willkürlich aus der Luft gegriffen, lässt aber wenig Interpretationsraum. Schade ist allerdings, dass der BGH genau 1000 km Laufleistung noch unter die Neufahrzeuge einordnet; eine erste Maßnahme wird also sein, Vorführfahrzeuge im Zweifel mit 1001 km zu bewerben um das Abmahnrisiko bei Fehlern zu verringern. Allerdings ist nicht sicher, wie strikt die Rechtsprechung die Grenze ziehen wird.

Ein weiterer interessanter Aspekt des Urteils ist der Umgang mit den Anträgen. Seit der TÜV-Entscheidung (BGH vom 24.03.2011 – I ZR 108/09) ist eine Debatte entbrannt über die Frage, ob und welche der Tatbestände des UWG zusammen mit einem einheitlichen Lebenssachverhalt einen eigenen Streitgegenstand bilden. Hiervon scheint sich der BGH immer mehr zu lösen, im hiesigen Urteil nimmt der BGH § 5a Abs. 2 und 4 UWG neben 4 Nr. 11 UWG an, ohne ein Wort zu alternativer oder kumulativer Geltendmachung zu verlieren. Zugleich erteilt der BGH aber erneut der abstrakten Antragstellung eine Absage. Der zugesprochene Antrag, der – unzulässig – lediglich die in Streit stehende gesetzliche Formulierung wiederholte, hatte nur deswegen Bestand, weil der BGH ihn auf die konkrete Verletzungsform bezog aufgrund einer Bezugnahme des Antrags mittels Konditionalsatzes („sofern dies geschieht wie“).