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BGH: Entfernung rechtswidriger Beiträge aus dem Internet (VI ZR 340/14)

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Der Fall

Der beklagte Rechtsanwalt hatte über einen Prozessgegner einen Beitrag für die Homepage der Kanzlei verfasst. Der sieht durch einzelne Aussagen des Beitrags seinen wirtschaftlichen Ruf fortdauernd beeinträchtigt. Zwar ist der Beitrag auf Abmahnung von der Kanzleihomepage entfernt worden, im Internet aber noch verschiedentlich zu finden. Der Kläger verlangt nun, dass der Beklagte die Löschung des im Internet über Suchmaschinen abrufbaren Artikels bewirken müsse.

Die Entscheidung

Zunächst stellt der BGH klar, dass der Kläger nicht den Beitrag als Ganzes untersagen lassen kann wenn nur einzelne Aussagen zu beanstanden sind. Der Klageantrag sollte daher auf die konkrete Aussage, die dem Gegner untersagt werden soll, beschränkt werden.Außerdem könne nicht die Bewirkung der Löschung aus dem Internet verlangt werden, sondern nur ein darauf gerichtetes Hinwirken. Was genau der Störer zu unternehmen habe, sei im Urteil nicht zu bestimmen, denn es stehe es dem Beklagten frei, auf welche Weise er versuche, einem Urteil nachzukommen.Ausgangspunkt des BGH ist die Annahme, dem von einer Ehrbeeinträchtigung Betroffenen stehe ein Beseitigungsanspruch gegen Störer zu. Im Falle einer im Internet verbreiteten falschen Tatsachenbehauptung sei dieser auf das Hinwirken der Löschung der auffindbaren Ressourcen gerichtet. Zwar hafte ein Störer grundsätzlich nur auf Unterlassen. Das jetzt geforderte aktive Tun sei jedoch dem Unterlassen „angenähert“. Es könne die Beseitigung eines Zustandes durch zumutbare Handlungen gefordert werden „wenn allein dadurch dem Unterlassungsgebot Folge geleistet werden kann“. Ein solches Unterlassen durch Handeln könne allerdings nur verlangt werden, „wenn und soweit die beanstandeten Behauptungen nachweislich falsch sind und die begehrte Abhilfemaßnahme unter Ablehnung der beiderseitigen Rechtspositionen, insbesondere der Schwere der Beeinträchtigung zur Beseitigung des Störungszustandes geeignet, erforderlich und dem Störer zumutbar ist.“Diese neue Ausprägung des Beseitigungsanspruchs trifft zunächst nur den „unmittelbaren“ Störer, also denjenigen, der durch sein Verhalten selbst die Beeinträchtigung adäquat verursacht hat, und hierunter fallen nach Ansicht des 6. Senats des BGH auch Täter oder Teilnehmer. Der engere Störerbegriff, den der 1. Senat des BGH zum Urheber und Markenrecht entwickelt hat, wird vom 6. Senat ausdrücklich abgelehnt.

Kritik

Unwahre Tatsachenbehauptungen wird man im Internet kaum wieder los. Der BGH möchte das nicht akzeptieren. Seine Lösung besteht darin, alle an der Verbreitung der Tatsache Mitwirkenden in die Störerhaftung zu nehmen und zur Beseitigung anzuhalten. Es bleiben aber wichtige Fragen offen:

  • Welche Quellen sind abzudecken?
  • in welchem Rhythmus hat der Störer das Internet nun zu durchforsten, auf der Suche nach den falschen Aussagen?
  • welche konkreten Maßnahmen sind im Rahmen der Unterlassungspflicht zu ergreifen (E-Mail, Schreiben, Abmahnung, Klage)?
  • Wer ist alles unmittelbarer Störer?
  • Was gilt für die bloß mittelbaren Störer?

All dies bleibt unklar und diese Unklarheit geht zu Lasten des Störers: der Störer wird nämlich nach Erlass eines entsprechenden Urteils vom Kläger jedes Mal, wenn die Äußerung irgendwo erscheint, mit einem Ordnungsmittelantrag belegt. Das Kostenrisiko ist für den Kläger überschaubar. In dem Verfahren hat dann der Störer das Gericht zu überzeugen, alles ihm zumutbare und mögliche getan zu haben, um die Quelle zu beseitigen. Dies ist ein nahezu unmögliches Unterfangen.Angesichts milliardenfacher halbwahrer oder falscher Tatsachen im Internet ist das Urteil weltfremd. Nutzer wissen solche Informationen zu bewerten, insbesondere wenn die ursprüngliche Quelle nicht mehr abrufbar ist. Die Entscheidung des BGH droht jedem, der eine Tatsache über Dritte behauptet mit dem Risiko einer Abmahnung und lebenslanger Pflicht zur Suche nach Kopien seiner Äußerung im Internet. Es werden hier Instrumente auf das Internet angewandt, die in der dörflichen Idylle vielleicht mal Sinn gemacht haben. Im schnelllebigen Internet wird nicht jede Tatsache von Nutzern recherchiert, geprüft und dokumentiert. Das entspricht auch nicht der Natur als instante Kommunikationsplattform. Es reichte aus, den jeweiligen Verbreiter in Anspruch nehmen zu können.Es sollte niemanden wundern, dass das Internet andernorts erfunden wird, wenn hier die Ressourcen dazu verwendet werden, wie man Inhalte intensiver regeln kann.