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Bewertungsplattformen im Internet

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Im Internet können auch medial Unterrepräsentierte Meinung machen. Auf Bewertungsplattformen wie „spickmich“ und „meinprof“ erfolgt dies unter konkreter Namensnennung als Benotung von Lehrenden. Die Datenschützer kritisieren derartige Angebote, die Gerichte lassen sie – vorerst – unbeanstandet.

LG Köln v. 30.01.2008 – 28 O 319/07 – spickmich.de

Die Ausgangssituation

Die Internetplattform für Schüler, spickmich.de, wird von den Lehrern einem „Test“ unterzogen. Eine Gymnasiallehrerin hat nicht nur das Verfügungsverfahren voll ausgeschöpft und ist zwei Mal (LG Köln und OLG Köln) gescheitert, sondern auch im Hauptsacheverfahren vor dem LG Köln nicht weiter gekommen. Ein Sprecher des Gerichts verkündete am 05.03.2008, dass die Berufung eingegangen sei. Nach Aussage der Anwälte zufolge ist man bestrebt, notfalls bis zum Bundesgerichtshof oder Bundesverfassungsgericht zu gehen.
Eine Realschullehrerin aus Nordrhein-Westfahlen versucht vor dem LG Duisburg ihr Glück. Der vorsitzende Richter hat Meldungen zu Folge am 12.03.2008 signalisiert, dass er die Klage ebenfalls abweisen wird. Das Urteil soll am 18.04.2008 verkündet werden.
Französische Gerichte lassen eine ganz andere Tendenz erkennen und sehen durch Bewertungsplattformen den Schulbetrieb gestört. In Deutschland sieht es also so aus, als würde spickmich.de momentan den „Test“ bestehen.

Streitgegenstand und Begründung des Urteils

Auf der Schülerplattform werden Lehrer unter Nennung ihres Namen und der jeweiligen Schule in unterschiedlichen Punkten bewertet, die daraufhin zu einer Gesamtnote zusammengefasst werden. Zudem ist es möglich einzelne Kommentare auf der Seite zu veröffentlichen. Die Klägerin sah sich durch ihre Namensnennung und Bewertung in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt und begehrte Unterlassung.
Das Gericht folgte dem nicht. Es sah zum einen datenschutzrechtliche Bedenken nicht verletzt, da Name und Tätigkeitsbereich der Lehrerin schon auf der Schulhomepage zu finden sei. Zum anderen berühre die Bewertung von Lehrern zwar teilweise die Privatsphäre, dies habe die Klägerin aber zu dulden, so lange sie keiner Schmähkritik bzw. Angriffen auf ihrer Menschenwürde ausgesetzt sei. Das öffentliche Meinungsbildungsinteresse und das Meinungsäußerungsrecht der Schüler würden in diesem Fall vor dem Persönlichkeitsrecht der Lehrerin überwiegen.

Ein bekanntes Problem

Die Entscheidungsproblematik erinnert an den Fall von „meinprof.de“, nur dass es nicht um die Bewertung von Professoren, sondern von Lehrern auf einer Internetplattform geht.
Das Problem, welches das Gericht zu klären hatte, ist in den Zeiten von „user generated content“ alltäglich. Jeder mit einem Internetanschluss wird ständig aufgefordert zu allem und jedem seine Meinung zu äußern. Wir leben in einer Evaluierungsgesellschaft, die zwei Rechtsgüter in den Konflikt treibt: Zum einen die Meinungsfreiheit und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und zum anderen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das allgemeine Persönlichkeitsrecht.
Entschieden wird dieser Konflikt in Einzelfallabwägungen des Gerichts. Die daraus entstehende Rechtsunsicherheit bei entsprechenden Betreibern macht jedes Urteil in diesem Bereich wertvoll. Das LG Köln fügt sich in diese Reihe ein, ohne dabei besonders zu glänzen. Die Abwägung des Gerichts ist nachvollziehbar, aber an vielen Stellen noch ausbaufähig.
Das Internet bietet die potentielle Möglichkeit, seine Meinung einer Vielzahl von Personen zu vermitteln, ohne dabei einen hohen Aufwand betreiben zu müssen. Die Hemmschwelle ehrverletzender Äußerungen (in diesem Medium) ist derzeit noch niedrig, insbesondere unter dem Deckmantel der Anonymität. Die Gerichte können dieser Meinungsflut nur mit vereinzelten Entscheidungen den Weg weisen.

Datenschutzrecht

Personenbewertungsplattformen sollten bei ihrer Tätigkeit stets das Datenschutzrecht vor Augen haben. Das LG Köln wandte sich in diesem Zusammenhang nur der Namensnennung zu und verneinte ein Verstoß gegen § 4 BDSG, da die verbreiteten Daten schon auf der Schulhomepage zu finden waren, § 28 I Nr. 3 BDSG. Dies führt zu einer weiten Einschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Betroffenen. Viele Personen geben einen nicht unerheblichen Teil privater Informationen, z.B. auf eigenen oder fremden Internetseiten, preis. Man sollten beachten, dass alles was so veröffentlicht wird nach dem LG Köln gegen einen selbst verwendet werden kann, auch unter dem Blickwinkel, dass es dem Internet zunehmend schwerer fällt, Dinge zu vergessen.
Darüber hinaus kann die Bewertung einer Person gegen § 4 BDSG verstoßen, da es sich oftmals um personenbezogene Daten nach § 3 I BDSG handelt. Da für eine Erhebung, Speicherung und Übermittlung dieser Daten grundsätzlich die Einwilligung des Betroffenen fehlt, muss eine Erlaubnisnorm aus dem BDSG erfüllt sein. Weil die Daten bei Bewertungsplattformen meist allein zum Zeck der späteren Übermittlung erhoben und gespeichert werden, ist entgegen dem LG Köln § 29 BDSG und nicht § 28 BDSG anwendbar. Die Erhebung, Speicherung und spätere Übermittlung ist zulässig, wenn kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein gegenläufiges schutzwürdiges Interesse hat. An dieser Stelle ist wieder eine Interessenabwägung vorzunehmen. Gewichtungskriterien können sein: ob die Bewertung überwiegend die betroffene Person in ihrer beruflichen Funktion (Sozialsphäre) berührt oder bis in dessen Privatsphäre reicht; eine (wenn auch nur stichprobenartige) Kontrolle der Inhalte stattfindet; ob die bewertende Person eine bestimmte Qualifikation zur Meinungsäußerung erfüllen muss und seine Identität mit veröffentlicht wird; welche Breitenwirkung erreicht wird, ob die Internetseite weltweit verfügbar ist und recherchierbar oder nur ein begrenzter Leserkreis einen Zugriff hat; ob die Inhalte einer Löschungsfrist unterliegen und daher Aktualität gewährleistet ist; wie sensibel die entsprechenden Daten sind; in welcher Menge sie vorliegen; welche Aussagekraft ihnen zukommt; zu welchem Zweck sie gespeichert werden und welche Auswirkungen für den Betroffenen absehbar sind.
Damit eine Übermittlung der entsprechenden Daten möglich ist, müsste zudem nach § 29 II BDSG der Empfänger der Bewertung sein Interesse an der Kenntnisnahme glaubhaft darlegen und wiederum kein Grund für die Annahme bestehen, dass der Betroffene ein gegenläufiges schutzwürdiges Interesse (diesmal an der Übermittlung) hat. Dies hat zur Folge, dass die Bewertungsplattform nur einem bestimmten Benutzerkreis geöffnet werden kann, der ein Interesse an der Kenntnisnahme der Daten hat. Eine entsprechende Erklärung des Datenempfängers könnte beim Abschluss des Nutzungsvertrages mit dem Plattformbetreiber verlangt werden. Die Richtigkeit dieser Erklärung ist bei automatisierten Massengeschäften nicht bei jedem Nutzer vor Freischaltung zu überprüfen, dies ergibt sich aus dem amtlichen Regierungsentwurf für das BDSG und im Grundsatz aus § 10 IV BDSG. Es genügt zunächst die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Erklärung korrekt ist und keine Anhaltspunkte vorliegen, die berechtigte Zweifel begründen (z.B. auf Grund früherer falscher Angaben des Empfängers). Es ist dem Betreiber in der Folgezeit anzuraten, im Nachhinein ausreichende Stichproben durchführen und weitere Angaben vom Nutzer zum Nachweis seines berechtigten Interesses zu verlangen.
Um das Angebot von spickmich.de abrufen zu können, bedarf es einer Anmeldung, bei dem Name und Emailadresse abgefragt werden. Dabei findet eine Unterteilung in Schüler, Lehrer und Eltern statt. Um die Bewertung von Lehrern abrufen zu können, besteht aber zudem die Möglichkeit sich als sonstig Interessierter anzumelden, ohne ein berechtigtes Interesse an der Kenntnisnahme der personenbezogenen Daten glaubhaft zu machen. Das zunächst die Schule korrekt eingegeben werden muss und eine Lehrersuche nicht möglich ist, führt nicht dazu, dass die Glaubhaftmachung überflüssig wird. Diese Vorgehensweise kann nicht mit ruhigem Gewissen weiterempfohlen werden.
Das LG Köln hat den gesamten Problemkreis nicht abschließend und erschöpfend behandelt, es gibt viele Fallstricke für Betreiber von Bewertungsplattformen, die es zu beachten gilt. Oft übersehen werden die §§ 4d, 33ff. BDSG und § 10 TMG (bei einer Datenverarbeitung z.B. durch Top- und Floplisten). Insbesondere § 33 BDSG führt zu einer Benachrichtigungspflicht des Betreibers an den Betroffenen über die Übermittlung seiner Daten.