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LG Wuppertal: Pflichtangaben nach Pkw-EnVKV bei YouTube-Videos, Urteil vom 31.10.2014 – 12 O 25/14

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Werbespots für Personenkraftwagen auf YouTube können der Kennzeichnungspflicht der Pkw-EnVKV unterfallen. Die Ausnahmeregelung für audiovisuelle Mediendienste gemäß § 5 Abs. 2 Pkw-EnVKV soll auf die Veröffentlichung eines Werbespots in einem YouTube-Channel nicht anwendbar sein.

Der Fall

Ein Fahrzeughändler betreibt einen YouTube-Channel zur Vermarktung und Bewerbung seiner Neufahrzeuge. Unter anderem zeigt er dort einen Werbespot mit dem Titel „Das NEUE Jaguar F-type R Coupé – 550 PS“. Das Vorschaubild dieses Werbespots sowie der Titel sind auf der Startseite des YouTube-Channels sichtbar. Kraftstoffverbrauch oder CO2-Emissionen sind nicht angegeben. Als dagegen ein Verband klagt, beruft sich der Hersteller auf die Ausnahme von den Pflichtangaben der Pkw-EnVKV für audiovisuelle Mediendienste.

Die Entscheidung

Das Gericht führt aus, dass es sich bei dem Spot um „in elektronischer Form verbreitetes Werbematerial“ im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV in Verbindung mit § 2 Nr. 10 und Nr. 11 Pkw-EnVKV handelt. Die Ausnahme von der Kennzeichnungspflicht für Hörfunkdienste und audiovisuelle Mediendienste sei auf das YouTube-Video nicht anwendbar. Das streitgegenständliche Video diene allein Werbezwecken und erfülle damit nicht den Hauptzweck audiovisueller Mediendienste, nämlich das Bereitstellen von Informationen, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit. Nur Angebote eines Mediendiensteanbieters könnten audiovisuelle Mediendienste sein. Ein solcher Mediendienstanbieter, also eine natürliche oder juristische Person, die die redaktionelle Verantwortung für die Auswahl der Inhalte des audiovisuellen Mediendienstes trägt und bestimmt, wie diese gestaltet werden (Art. 1 Buchstabe d der RL 2010/13/EU), sei bei YouTube nicht vorhanden, insbesondere sei der Händler selbst nicht als solcher anzusehen. Der Beklagt wäre daher verpflichtet gewesen, den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen anzugeben.

Fazit

Fahrzeughersteller und – händler sind u.a. im Rahmen von Fahrzeugwerbung grundsätzlich verpflichtet, Angaben zum Kraftstoffverbrauch und zu CO2-Emissionen der von ihnen beworbenen Neufahrzeuge zu machen, § 5 Pkw-EnVKV. Diese Verpflichtung besteht bei Werbung für Modelle neuer Personenkraftwagen oder wenn Angaben zur Motorisierung in der Werbung gemacht werden. Von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen ist die sogenannte Imagewerbung sowie die Werbung für eine Baureihe. Die Pflichtangaben der Pkw-EnVKV sind jedoch zwingend, sobald Angaben zur Motorisierung gemacht werden, auch wenn es sich um Image- oder Baureihenwerbung handelt. Im Ergebnis ist es wohl zutreffend, dass Informationspflichten nach Pkw-EnVKV auch bei YouTube-Werbespots bestehen können, da es sich bei YouTube-Videos nicht notwendig um audiovisuelle Mediendienste handelt. In seiner Begründung grenzt das Gericht jedoch bei der Frage, ob es sich um einen audiovisuellen Mediendienst handelt, nicht die beiden Alternativen des Art. 1 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2010/13/EU voneinander ab. Dies kann leicht zu Missverständnissen hinsichtlich der Übertragbarkeit der Entscheidung auf andere Sachverhalte führen. Im Einzelnen: Für die Frage, ob es sich um einen audiovisuellen Mediendienst handelt, kommt es entgegen der Argumentation des Gerichts nicht darauf an, ob durch den streitgegenständlichen Spot Werbezwecke verfolgt werden. Folgte man dem Argument des Gerichts, der Spot erfülle lediglich Werbezwecke und daher nicht den Hauptzweck eines audiovisuellen Mediendienstes, so wären auch Werbespots im klassischen TV oder Hörfunk zu kennzeichnen. § 5 Pkw-EnVKV regelt gerade die Informationspflicht in der Werbung; die Privilegierung des § 5 Abs. 2 Pkw-EnVKV erfolgt also unabhängig vom Werbezweck des jeweiligen Spots. Allein der Werbezweck kann zudem nicht dazu führen, dass es sich nicht um einen audiovisuellen Mediendienst handelt, da auch Werbung einen informatorischen und unterhaltenden Inhalt hat. So hat das BVerfG entschieden, dass sich der Schutz der Meinungsfreiheit auch auf kommerzielle Meinungsäußerungen sowie reine Wirtschaftswerbung, die einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt hat, erstreckt (BVerfG, Urteil vom 12.12.2000 – 1 BvR 1762/95). Der Werbezweck des Spots schließt daher nicht zwangsläufig aus, dass dieser zugleich (meinungs-)bildende, informatorische und unterhaltende Zwecke erfüllt. Die Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 2 Pkw-EnVKV gilt ausdrücklich für audiovisuelle Mediendienste nach Art. 1 Abs. lit. a der Richtlinie 2010/13/EU. Laut der dortigen Definition ist ein audiovisueller Mediendienst

i) eine Dienstleistung im Sinne der Artikel 56 und 57 AEUV , für die ein Mediendiensteanbieter die redaktionelle Verantwortung trägt und deren Hauptzweck die Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit über elektronische Kommunikationsnetze im Sinne des Artikels 2 Buchstabe a der Richtlinie 2002/21/EG ist. Bei diesen audiovisuellen Mediendiensten handelt es sich entweder um Fernsehprogramme gemäß der Definition unter Buchstabe e des vorliegenden Absatzes oder um audiovisuelle Mediendienste auf Abruf gemäß der Definition unter Buchstabe g des vorliegenden Absatzes,
ii) die audiovisuelle kommerzielle Kommunikation.

Damit kann also auch die audiovisuelle kommerzielle Kommunikation (mithin klassische Werbung) Bestandteil eines audiovisuellen Mediendienstes sein. Auch laut Erwägungsgrund 22 der Richtlinie 2010/13/EU umfasst der Begriff „audiovisuelle Mediendienste“ kommerzielle Kommunikation. Daraus folgt, dass nicht allein auf den Werbezweck des einzelnen Videos abzustellen ist (so aber die Formulierung des Gerichts). Vielmehr ist das Video nur dann als kommerzielle Kommunikation zu qualifizieren (und somit von der Privilegierung erfasst), wenn sie von einem Mediendiensteanbieter gezeigt wird. Dementsprechend stellt das Gericht in seiner Entscheidung weiterhin darauf ab, dass der Beklagte kein Mediendiensteanbieter im Sinne der Richtlinie sei. Dies ist missverständlich, da man den Schluss ziehen könnte, das der Werbende im Falle kommerzieller Kommunikation selbst Mediendiensteanbieter sein muss, um von der Privilegierung erfasst zu werden. Dieser mögliche Schluss ist jedoch wohl nicht vom Gericht beabsichtigt, sondern dem Umstand geschuldet, dass im zu entscheidenden Fall (ausnahmsweise) Werbender und Betreiber des veröffentlichenden Mediums (hier: YouTube-Channel) personenidentisch sind. Im Falle der kommerziellen Kommunikation kommt es – wie oben bereits ausgeführt – nicht darauf an, dass der Werbende Mediendiensteanbieter ist. Vielmehr ist Werbung nur dann als kommerzielle Kommunikation zu qualifizieren, wenn sie von einem Mediendiensteanbieter gezeigt wird. Nach dem Wortlaut und der Systematik von § 5 Abs. 2 Pkw-EnVKV betrifft die Ausnahmeregelung für Hörfunk und audiovisuelle Medien nicht den Verpflichtungsadressaten (also den persönlichen Anwendungsbereich), sondern den sachlichen Anwendungsbereich. Verpflichtungsadressat der Kennzeichnungspflicht ist der Pkw-Hersteller und/oder Händler, nicht der Mediendiensteanbieter. Entscheidend ist also nicht, ob der Pkw-Hersteller und/oder Händler Mediendiensteanbieter ist. Im Falle von klassischer TV- oder Hörfunk-Werbung ist der jeweilige TV- oder Radio-Sender als Mediendiensteanbieter zu qualifizieren und nicht der Werbende. Es kann somit nicht allein auf den Inhalt des einzelnen Werbespots ankommen, sondern auf die Gestaltung des übrigen Programms. Die Definition von „audiovisueller Mediendienst“ gemäß Art. 1 Abs. lit. a, Unterabsatz ii) der Richtlinie 2010/13/EU stellt – im Unterschied zu Unterabsatz i) nicht auf einen Mediendiensteanbieter ab. Entscheidend ist allein, ob der jeweilige Inhalt als audiovisuelle kommerzielle Kommunikation zu qualifizieren ist. „Audiovisuelle kommerzielle Kommunikation“ sind laut Art 1. Abs. 1 lit. h der Richtlinie „Bilder mit oder ohne Ton, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds natürlicher oder juristischer Personen, die einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, dienen. Diese Bilder sind einer Sendung gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung beigefügt oder darin enthalten. Zur audiovisuellen kommerziellen Kommunikation zählen unter anderem Fernsehwerbung, Sponsoring, Teleshopping und Produktplatzierung.“ Erst anhand dieser Definition (die das Gericht in seiner Entscheidung jedoch nicht berücksichtigt) zeigt sich, warum der YouTube-Werbespot im Ergebnis nicht als audiovisueller Mediendienst zu qualifizieren ist. Der Spot ist keiner Sendung beigefügt oder in dieser enthalten. Dies ist der entscheidende Unterschied zwischen klassischer TV- bzw. Hörfunkwerbung und einzelnen Werbespots auf YouTube-. Im Ergebnis erfüllt der Spot daher nicht die Merkmale der „kommerziellen Kommunikation“. Erst wenn man in solchen Fällen den Spot nicht als kommerzielle Kommunikation im Sinne der Richtlinie qualifizieren kann (und daher kein audiovisueller Mediendienst im Sinne von Art. 1 Abs. lit. a, Unterabsatz ii gegeben ist), kommt man zu der Frage, ob es sich um einen audiovisuellen Mediendienst im Sinne von Art. 1 Abs. lit. a, Unterabsatz i handelt. Voraussetzung ist dann, dass im Einzelfall folgende Merkmale erfüllt werden:

  • Mediendiensteanbieter,
  • Redaktionelle Verantwortung,
  • Sendung als Bestandteil eines Sendeplans oder Katalogs,
  • Fernsehprogramm oder Mediendienst auf Abruf.

Im konkreten Fall dürfte es an der redaktionellen Verantwortlichkeit für den YouTube-Channel sowie an dem Merkmal der „Sendung“ fehlen, da der YouTube-Channel wohl ausschließlich Werbespots beinhaltete und demnach nicht mit einem Fernsehprogramm vergleichbar ist.