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(Deutsch) BGH: Schutzfristenvergleich im internationalen Urheberrecht – Urteil vom 26.02.2014 – I ZR 49/13 – Tarzan

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Die gemäß Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2006/116/EG gewährte Möglichkeit, eine längere Schutzfrist beizubehalten, obwohl diese längeren Schutz gewährt als die Schutzfrist des Ursprungslandes, führt nicht dazu, dass die Schutzfrist des Art. 10 Abs. 2 i.V.m. Art. 1 der Richtlinie 2006/116/EG (70 Jahren post mortem auctoris) anzuwenden wäre. Zudem gilt diese verlängerte Schutzfrist gemäß Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2006/116/EG nur in dem Mitgliedstaat, der von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat.

Der Fall
Der Kläger, ein Filmproduktionsunternehmen, begehrte die Feststellung, dass das Buch „Tarzan of the Apes“ in Deutschland seit dem 31.12.2000 nicht mehr urheberrechtlich geschützt ist. Die Beklagte ist eine kalifornische Gesellschaft und Inhaberin der Verwertungsrechte an dem Buch. Sie vertritt die Ansicht, dass urheberrechtlicher Schutz noch bis zum 31.12.2020 geschützt sei. Das Buch „Tarzan of the Apes“ wurde am 10.09.1912 in den USA veröffentlicht und beim Copyright Office registriert. Die Registrierung wurde am 13.11.1939 erneuert. Der Autor des Buches, Edgar Rice Burroughs, verstarb am 19.03.1950.

Die Entscheidung
Gemäß § 121 Abs. 4 Satz 1 UrhG genießen ausländische Staatsangehörige den urheberrechtlichen Schutz nach dem Inhalt der Staatsverträge. Der BGH berücksichtigte in seiner Entscheidung das Übereinkommen zwischen dem Deutschen Reich und den Vereinigten Staaten von Amerika über den gegenseitigen Schutz der Urheberrechte von 1892 (Deutsch-Amerikanisches Abkommen), das Welturheberrechtsabkommen (WUA), die Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (RBÜ), das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums vom 15. April 1994 (TRIPs-Übereinkommen) und der WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT).

a. Die Anwendbarkeit der RBÜ, des TRIPs-Übereinkommens und des WCT auf den zu entscheidenden Fall lehnt der BGH ab, da diese Staatsverträge erst nach Ablauf der Schutzfrist in den USA, also nach dem 31.12.1987, in Kraft traten. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser drei Staatsverträge bestand also bereits im Ursprungsland kein urheberrechtlicher Schutz mehr.

b. Das Deutsch-Amerikanische Abkommen gewährt dem ausländischen Staatsangehörigen eine Gleichbehandlung mit Inländern. Demnach hätte die Schutzfrist 70 Jahre nach dem Tode des Autors betragen und der urheberrechtliche Schutz wäre erst am 31.12.2020 erloschen. Das WUA ist jedoch gemäß Art. XIX Satz 2 bei sich widersprechenden Regelungen gegenüber dem Deutsch-Amerikanische Abkommen vorrangig. Ein solche Abweichung der beiden Staatsverträge liegt vor, da die Schutzdauer nach dem WUA durch einen Schutzfristenvergleich zu ermitteln sind (Art. IV Abs. 4 bis 6 WUA i.V.m. § 140 UrhG) und sich nicht – wie bei Anwendung des Deutsch-Amerikanischen Abkommens – nach dem inländischen Recht richtet. Daher ist das WUA vorrangig anzuwenden. Im Wege des Schutzschriftenvergleichs gemäß Art. IV Abs. 4 bis 6 WUA kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass das Buch in Deutschland gemäß Art. 1 des Deutsch-Amerikanischen Abkommens bis zum 31.12.2020 geschützt gewesen wäre, in den USA jedoch lediglich bis zum 31.12.1987. Da Deutschland gemäß Art. IV Abs. 4 Buchst. a WUA jedoch nicht verpflichtet ist, dem Werk einen längeren Schutz zu gewähren als das Ursprungsland, endete der urheberrechtliche Schutz in Deutschland nach dem WUA ebenfalls am 31.12.1987.

c. Die Beklagte kann sich jedoch gemäß Art. XIX Satz 3 WUA auf die Schutzfrist vom 50 Jahren post mortem auctoris berufen. Von den vorrangigen Regelungen des WUA bleiben grundsätzlich solche Rechte an einem Werk unberührt, die aufgrund anderer Staatsverträge in einem dem Abkommen angehörenden Staat erworben worden sind, bevor das WUA für diesen Staat in Kraft getreten ist (Bestandsschutz). Demnach bleiben die Rechte gemäß Art. XIX Satz 3 WUA unberührt, die in Deutschland aufgrund des Deutsch-Amerikanisches Abkommens erworben worden sind, bevor das WUA für Deutschland in Kraft getreten ist. Die Verlängerung der Schutzschrift auf 50 Jahren post mortem auctoris trat 1934 in Kraft und genießt daher Bestandsschutz. In Deutschland war das Werk somit bis zum 31.12.2000 urheberrechtlich geschützt.

d. Die Beklagte konnte sich jedoch nicht auf einen Bestandsschutz der Schutzfrist von 70 Jahren post mortem auctoris berufen. Die Verlängerung der Schutzfrist auf 70 Jahre post mortem auctoris erfolgte jedoch 1965, also nach Inkrafttreten des WUA in Deutschland (1955), so dass Art. XIX Satz 3 WUA nicht einschlägig ist.

e. Auch die Tatsache, dass der Schutzfristenvergleich gemäß § 140 UrhG zeitlich nach der Schutzfristenverlängerung gemäß § 64 UrhG a.F. in Kraft getreten ist, führt nicht dazu, dass die Schutzfristenverlängerung auf 70 Jahren post mortem auctoris einschlägig ist. § 64 UrhG a.F. genießt gegenüber dem Schutzfristenvergleich keinen Bestandsschutz. Der BGH führt aus, dass § 64 UrhG a.F. nur deshalb bereits am 17.09.1965 – und nicht wie § 140 UrhG am 01.01.1966 – in Kraft getreten ist, weil die Schutzfristverlängerung auch für diejenigen Werke noch wirksam werden sollte, für die die geltende Schutzfrist von 50 Jahren nach dem Tod des Urhebers am Ende des Jahres 1965 abgelaufen wäre, weil ihre Urheber im Laufe des Jahres 1915 verstorben sind. Zwar kann sich die Beklagte grundsätzlich auf die Schutzfristenverlängerung von 70 Jahren post mortem auctoris berufen. Diese wirkt sich jedoch nur insoweit aus, als die Schutzfrist im Ursprungsland länger währt, als die vor der Verlängerung geltende Schutzfrist im Inland. Vor der Verlängerung der Schutzfrist im Inland durch § 64 UrhG a.F. bestand urheberrechtlicher Schutz bis zum 31.12.2000. Würde in den USA eine Schutzfrist bis 2010 bestehen, hätte sich der Rechteinhaber auf die 70jährige Schutzfist bis zum Ablauf der Schutzschrift im Ursprungsland, also bis 2010, berufen können. Da die Schutzfrist in den USA jedoch bereits 1987 ablief, bleibt es bei der gemäß Art. XIX Satz 3 WUA bestandsgeschützen Schutzfrist von 50 Jahren post mortem auctoris.

f. Eine 70jährige Schutzfrist folgt auch nicht aus § 137f Abs. 2 Satz 1 UrhG und Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2006/116/EG. Nach diesen Vorschriften gilt die Schutzfrist von 70 Jahren post mortem auctoris (Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2006/116/EG) für solche Werke, die am 01.07.1995 in zumindest einem Mitgliedstaat urheberrechtlich geschützt waren. Da das Buch sowohl in Deutschland als auch im Vereinigten Königreich zu diesem Zeitpunkt urheberrechtlichen Schutz genoss, ist die 70jährige Schutzfrist grundsätzlich anwendbar. Gemäß Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2006/116/EG findet jedoch ein Schutzfristenvergleich mit dem Ursprungsland statt und die durch die Richtlinie gewährte Schutzfrist läuft spätestens mit dem Ende der Schutzfrist im Ursprungsland ab, hier also am 31.12.1987. Gemäß Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2006/116/EG durfte Deutschland den aufgrund des Deutsch-Amerikanischen Abkommens und des WUA gewährten Schutzes des Buches bis zum 31.12.2000 beibehalten, obwohl dieser längeren Schutz gewährt als die Schutzfrist des Ursprungslandes. Dass Deutschland von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hatte, führt letztlich dazu, dass das Werk am 01.07.1995 in einem Mitgliedstaat geschützt war. Daraus folgt jedoch nicht, dass nunmehr in diesem oder in allen anderen Mitgliedstaaten die Schutzfrist des Art. 10 Abs. 2 i.V.m. Art. 1 der Richtlinie 2006/116/EG (70 Jahren post mortem auctoris) anzuwenden wäre. Vielmehr gilt die Schutzfrist gemäß Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2006/116/EG nur in dem Mitgliedstaat, der von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat.