Imprint // Privacy Policy

(Deutsch) BGH: Presse darf rechtswidrig erlangte E-Mails zur Berichterstattung nutzen – Urteil vom 30.09.2014 – VI ZR 490/12

image_pdf

Private E-Mails eines Politikers dürfen zur Presseberichterstattung genutzt werden, wenn diese einen Missstand von erheblichen Gewicht offenbaren, an dessen Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht. Dies gilt selbst dann, wenn die Informationen von Dritten rechtswidrig erlangt wurden.

Ein bekannter Politiker unterhielt eine außereheliche Beziehung mit einer Mitarbeiterin aus der eine gemeinsame Tochter hervorging. Für diese Tochter zahlte er keinen Unterhalt. Die Kindesmutter erhielt Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz, wobei sie den Politiker pflichtwidrig nicht als Vater benannte. Private E-Mails zwischen dem Politiker und seiner ehemaligen Geliebten dokumentierten diesen Sachverhalt. Der private Laptop des Politikers kam im Jahre 2009 abhanden und die darauf befindliche E-Mail-Korrespondenz wurde der Presse zugespielt. Die Presse berichtete daraufhin unter vollständiger Namensnennung über diese Beziehung, die gemeinsame Tochter und der möglichen Erschleichung von Sozialleistungen.

Gegen die Verwertung der E-Mails zur Presseberichterstattung ging der Politiker gerichtlich vor und erwirkt vor dem LG Berlin (Urteil vom 28.06.2011 – 27 O 719/10) ein Verbot, welches vom KG (Urteil vom 05.11.2012 – 10 U 118/11) bestätigt wurde. Die Urteil der Vorinstanzen hat der BGH nunmehr aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Eingriff in das allgemein Persönlichkeitsrecht des Politikers durch die Presseberichterstattung ist nach Ansicht des BGH gerichtfertigt. Dies folge aus der Abwägung zwischen dem Interesse des Politikers am Schutz seiner Persönlichkeit einerseits und dem öffentlichen Informationsinteresse und dem Recht auf freie Meinungsäußerung andererseits. Die veröffentlichten Informationen offenbaren einen Missstand von erheblichen Gewicht, an dessen Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht, so der BGH. Der Kläger als Person des politischen Lebens habe sich über viele Jahre der wirtschaftlichen Verantwortung für seine Tochter entzogen und diese auf den Steuerzahler abgewälzt. Auch der Umstand, dass die private E-Mail-Korrespondenz von einem Dritten rechtswidrig beschafft wurde, ändere nichts an dem Abwägungsergebnis.

Der BGH bewertet nicht nur die Berichterstattung, die sich auf den Inhalt der zwischen dem Politiker und der Kindsmutter geführten E-Mail-Korrespondenz stütz, als zulässig, sondern gestattet darüber hinaus die Veröffentlichung verschiedener E-Mails in direkter oder indirekter Rede. Die im Wortlaut veröffentlichten E-Mails dokumentierten mit besonderer Klarheit, wie der Kläger mit der Verantwortung gegenüber seiner nichtehelichen Tochter und der Mutter seines Kindes – und damit mittelbar gegenüber der Allgemeinheit, die jedenfalls bis zur Veröffentlichung der streitgegenständlichen Informationen die daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen tragen musste – umgegangen ist, so der BGH.